Zürich

Unbekannte schiessen auf Zuchthirsche und klauen Kadaver

Zwei Damhirsche eines Züchters in Höri bei Bülach wurden angeschossen. Ein Tier wurde fortgebracht, das andere liegen gelassen.

Der Schock sitzt tief bei Landwirt Ruedi Wüthrich. Der 72-Jährige besitzt seit rund zwölf Jahren eine grosse Herde Damhirsche. 61 sind es derzeit – zwei weniger als noch vor zwei Wochen. Unbekannte Täter haben in der Nacht vom 4. auf den 5. April illegal zwei von Wüthrichs Tieren abgeschossen.
«Am Sonntagmittag, 5. April, haben wir bemerkt, dass etwas nicht stimmt», erzählt Wüthrich.

Er war draussen am Grillieren, als er bemerkte, dass seine Hirsche sehr nervös in ihrem Gehege umherrannten. «Dann fiel mir eines der Muttertiere auf, das derzeit trächtig ist.» Er sah, dass das Damtier einen Bauchschuss erlitten hatte. Schweren Herzens musste Wüthrich das Tier erschiessen lassen. «Sie wäre sonst langsam und elendiglich eingegangen», erklärt er.

Noch gleichentags wurde das tote Tier auf der Kadaverentsorgungsstelle abgeladen. «Wenn ein Tier von einem solchen Schuss getroffen wird, kann es nicht mehr geschlachtet und genutzt werden.» Wüthrich meldete den Vorfall bei der Polizei und reichte Anzeige gegen Unbekannt ein.

Wildliebhaber in Verdacht
Der zweite Schock folgte rund eine Woche später. «Ich übergebe derzeit meinen Betrieb an meinen Nachfolger Christoph Keller», erzählt der Höremer. Deshalb haben die beiden erst vor kurzem Fotos von sämtlichen Hirschen gemacht. Denn eine Zählung auf dem rund drei Hektaren grossen Areal ist gar nicht so einfach. Registriert wurden 63 Tiere. «Nach der Entsorgung des Damtiers fiel uns aber auf, dass wir nur noch 61 Tiere hatten.»

Wüthrich begann besorgt damit, den zwei Meter hohen Zaun zu überprüfen, der um das Gehege verläuft. Und er entdeckte an einer Stelle oben am Zaun Haare. Haare eines Damhirschs. «Jemand muss noch ein zweites Tier geschossen haben und den Kadaver über den Zaun gezogen haben.» Auch diesen Fall meldete Wüthrich der Polizei, er hat zudem auch Anzeige wegen Diebstahls eingereicht.

Wer der oder die Täter sein könnten, weiss Wüthrich nicht. «Es muss wohl jemand sein, der gerne Wild isst», mutmasst er. Er geht davon aus, dass sich die Täter zunutze gemacht haben, dass in der Nacht vom 4. auf den 5. April fast Vollmond war. «Da reicht selbst ein schlechtes Nachtsichtgerät, um einen Damhirsch zu schiessen.»

Täter waren gut vorbereitet
Wüthrich vermutet auch, dass die Täterschaft gut vorbereitet war. Da er keinen Schuss gehört hat, hatten sie ihre Waffe wohl mit einem Schalldämpfer ausgerüstet. Was er ausschliesst, ist, dass der Schütze ein Jäger war. «Ein Jäger macht so etwas nicht, sonst müsste man ihm sofort die Lizenz entziehen.» Auch dass eines der Tiere von einem Bauchschuss getroffen wurde, spreche dagegen, dass ein Jäger abgedrückt hat. «Ein solcher Schuss muss dem Tier stundenlange schwere Qualen verursacht haben», prangert Wüthrich an.

Der Landwirt geht nicht davon aus, dass die Polizei die Täterschaft eruieren kann. «Aber vielleicht weiss ja jemand zufällig etwas», hofft er. Wüthrich verkauft seine Tiere nur an Private und an einige wenige Restaurants. Durch die beiden toten Tiere hat er einen Verlust von etwa 1400 Franken erlitten. Die Versicherung komme nicht für einen solchen Fall auf, sagt Wüthrich.

Nicht miteinberechnet ist dabei, dass mindestens eines der Tiere trächtig war und in zwei bis drei Monaten ein Kalb geboren hätte. «Die Damtiere gebären jeweils im Juni und im Juli, danach bleiben die Jungtiere ein Jahr bei uns», erklärt der Landwirt. Bis im Herbst die Wildsaison beginnt, hat Wüthrich also jeweils sogar 90 Tiere auf seinem Areal.

Ob das illegal erschossene und gestohlene Tier der Täterschaft munden wird, ist übrigens gar nicht so klar. «Wir haben erst vor kurzem sämtliche Tiere einer Parasitenbehandlung mit Flubenol unterzogen», sagt Wüthrich. Normalerweise dürfen die Tiere danach min-
destens drei Wochen nicht für den Verzehr genutzt werden. «Ich hoffe, die Täter haben wenigstens Bauchweh gekriegt», sagt Wüthrich.

Quelle: Limmattaler Zeitung
veröffentlicht: 21. April 2020 14:33
aktualisiert: 21. April 2020 14:33