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Foto: Patrick Züst
Schweiz am Wochenende

Nachwuchs fürs Silicon Valley? Dieser 16-Jährige reist mit seiner App ins «Tal der Träume»

Der 16-jährige Gymi-Schüler Jeremias Baur aus Zürich entwickelte seine eigene App und wurde dafür nach Kalifornien eingeladen. Dort hat er sich mit Google-Ingenieuren unterhalten, nahm an einer der wichtigsten VR-Konferenzen teil und hat den omnipräsenten Unternehmergeist gespürt.

Wer die Welt mithilfe von digitalen Technologien verändern will, landet früher oder später im Silicon Valley. Und wer sich dort mit den Trendthemen Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) auseinandersetzt – also mit den futuristischen Brillen, welche in Tech-Kreisen als nächste digitale Revolution angepriesen werden –, der sitzt vermutlich schon recht bald im Büro von UploadVR, dem renommiertesten Coworking Space in San Francisco.

Es ist Dienstagmittag, Programmierer, Investoren und Vertreter grosser Technologie-Unternehmen diskutieren gemeinsam über die neusten digitalen Trends. «Lunch and Learn» nennt sich das hier im Silicon Valley. Dazwischen sitzt ein blonder, grossgewachsener Teenager, rötliche Jeans und grünlicher Pullover, der zuhört, mitschreibt und dann, als die Gastgeberin fragt, ob jemand hier gerade an einem eigenen Projekt arbeitet, seine Hand schneller und aggressiver in die Höhe reisst als alle andern.

«Ich bin ein Schweizer Entwickler», erklärt Jeremias Baur in fast makellosem Englisch, «und ich habe eine eigene AR-App gebaut.» Deshalb ist er hier, der 16-jährige Gymi-Schüler aus Zürich: Mit seiner Smartphone-App hat Jeremias den diesjährigen BugNplay-Wettbewerb gewonnen – einen Schweizer Jugendwettbewerb, bei dem digitale Projekte prämiert werden.

Für seine Software, welche er in seiner Freizeit entwickelt hat, wurde er deshalb für sechs Tage ins kalifornische Silicon Valley eingeladen, das Epizentrum der digitalen Revolution. Hier hat er vergangene Woche einen Einblick erhalten, wie Innovation entsteht. Er hat sich mit Google-Ingenieuren unterhalten, nahm an einer der wichtigsten VR-Konferenzen teil und hat den omnipräsenten Unternehmergeist gespürt.

Jetzt auf

Jung, aber schon sehr selbstbewusst
Aber was genau hat Jeremias denn überhaupt entwickelt? «Meine App hat drei verschiedene Anwendungen», erklärte er. Man könne sie beispielsweise in der Schule nutzen, erklärt der Schüler: Jeremias nimmt darauf ein typisches Arbeitsblatt hervor, wie man es aus dem Biologieunterricht kennt, hält sein Smartphone darüber, und auf dem Bildschirm wird ein digitales 3D-Modell des Gehirns eingeblendet.

Es sieht aus, als würde dieses direkt vor einem auf dem Tisch liegen, und bewegt man das Handy hin und her, kann man es von allen Seiten betrachten. «Als Schüler kann man sich das Ganze so viel besser vorstellen», erklärt Jeremias und fügt an, dass es sich dabei natürlich erst um einen Prototyp handelt. Eine ähnliche Funktion hat er für Restaurants entwickelt, wo eine Speisekarte gescannt wird und darauf ein Burger erscheint. Dazu kommt ein eigenes Smartphone-Spiel, bei dem die digitale und die reale Welt ebenfalls miteinander verschmelzen.

Das Silicon Valley gilt als Ursprungsort der digitalen Revolution – und als Quelle für technologische Inspiration. Deshalb sind sogenannte Study-Tours ins «Tal der Träume» längst auch in der Schweiz zum Standard geworden: Bundesräte reisen genauso nach San Francisco wie CEOs und Uni-Professoren, welche sich alle von Tech-Giganten wie Google und Facebook, von kleinen Start-ups und grossen Ideen inspirieren lassen wollen.

Jeremias ist einer der wenigen Vertreter jener Generation, welche am heftigsten vom digitalen Wandel betroffen sein wird. Seine Exkursion kommt zu einem Zeitpunkt, in dem sich die ganze Schweiz überlegt, wie man Jugendliche auf den Arbeitsmarkt der Zukunft vorbereiten kann.

«Für meine digitalen Projekte hat mir die Schule bis jetzt ehrlich gesagt nicht allzu viel gebracht», erklärt Jeremias etwas zögernd. Programmieren und designen habe er sich grösstenteils selber beigebracht, dazu ein bisschen Mathe vom Schulunterricht. «Zwar hat mir persönlich BugNplay sehr viel ermöglicht, aber sonst gibt es in der Schweiz halt doch relativ wenige vergleichbare Angebote. Damit könnte man viel bewirken.»

Die Konkurrenz ist noch jünger
«Dass Jeremias hier Feedback zu seiner Idee erhielt, ein erstes Netzwerk knüpfen und direkt von den Profis lernen konnte, wird ihm sicher Energie geben, weiterzuarbeiten», sagt Sophie Lamparter. Sie ist Mitgründerin des Schweizer Projekts DART17, welches vom Silicon Valley aus innovative Start-ups in den Bereichen Design und Kunst fördert.

Dieses Jahr hat das Programm erstmals den NextGen-Award verliehen. Das Projekt von Jeremias Baur zeige eindrücklich, wie viel man dank modernen Tools heute schon in jungen Jahren leisten könne, so Lamparter: «Es ist der Beweis, dass man mit früher Förderung viel bewirken kann. Und die Geschichte von Jeremias motiviert hoffentlich auch viele andere Jugendliche, selber digitale Projekte zu realisieren.»

Wieso Jungunternehmer jeweils davon schwärmen, dass es im Silicon Valley viel einfacher ist, wichtige Kontakte zu knüpfen als in der Schweiz, das merkt auch Jeremias: Beim «Lunch and Learn»-Meeting von UploadVR lernt er per Zufall eine Entwicklerin kennen, die eine Plattform für AR- und VR-Lerninhalte baut und sich für das Produkt des Gymi-Schülers interessiert.

Dazu gibt er spontan ein Videointerview und lernt neben einem chinesischen Multimillionär auch noch den CEO von UploadVR kennen. Dieser verspricht dem Jungentwickler, ihm bei der Expansion in die USA zu helfen, sobald seine App in der Schweiz Erfolg hat.

Obwohl Jeremias erst 16 Jahre alt ist, gehört er hier schon nicht mehr zu den Jüngsten. UploadVR beispielsweise hat Mitglieder, die erst 13 Jahre alt sind. Bei «Y Combinator», dem wichtigsten Akzelerator der Welt, gibt es 14-Jährige, deren Firmen bereits mehrere Millionen wert sind. Dazu kommen zahllose Teenager, welche die Uni oder gar schon das Gymnasium abgebrochen haben, um im Silicon Valley direkt durchzustarten.

Das alles ist für Jeremias aber derzeit kein Thema: Er überlegt sich, ob er nach der Matur eher eine Lehre oder ein Studium machen soll. Die Lust auf eine eigene Firma hat das Silicon Valley bei ihm aber endgültig geweckt. Und die dafür nötige Grundlage hat er sich vergangene Woche bereits geschaffen.

von Patrick Züst

Quelle: Schweiz am Wochenende
veröffentlicht: 22. Oktober 2017 05:00
aktualisiert: 22. Oktober 2017 05:00