Quelle: Das ist die Zürcher Verkehrsunfallstatistik 2023 / TeleZüri / 13. März 2024

Ablenkung

Zu viele Unfälle – Zürcher Smombies sollen Alarm erhalten

Fussgängerinnen und Fussgänger verunfallen in der Stadt Zürich oft, weil sie auf ihr Smartphone statt auf die Strasse schauen. Vertretende des Gemeinderats von SP und GLP denken über Warn-Signale nach. Die Stadt Zürich rät davon ab.

Für Fussgängerinnen und Fussgänger lauern in der Stadt Zürich einige Gefahren. Im Jahr 2023 wurden wieder über 200 Personen verletzt. Bei 44 Prozent passierte dies auf einem Zebrastreifen. Zudem erwischten Trams zwei Fussgänger tödlich, wie die neue Verkehrsunfallstatistik zeigt.

Zu solchen Dramen ist es auch bereits dieses Jahr gekommen. Anfang März gerieten eine Frau am Bahnhof Oerlikon und wenige Tage später ein Mann am Zürcher Central unter ein Tram. Beide verloren ihre Leben.

Die Stadtpolizeien Zürich und Winterthur sehen Ablenkung insbesondere durch Smartphone und Kopfhörer als grosses Problem. Zürcher Gemeinderäte aus der Sicherheitskommission beschäftigt das Problem mit den Smombies – ein Kofferwort aus den Begriffen Smartphone und Zombie.

«Push-Nachrichten auf dem Handy»

«Über 200 verletzte Fussgängerinnen und Fussgänger ist eine wahnsinnig hohe Zahl», sagt SP-Gemeinderat Severin Meier zu ZüriToday. Eine Aufmerksamkeitskampagne oder Handy-Warnschilder für Fussgängerinnen und Fussgänger, die am Smartphone klebten, genüge nicht.

«Wenn Leute ins Handy blicken, sehen sie weder Plakate noch Schilder», sagt Meier. Ihm schweben deshalb Push-Nachrichten vor. «Diese erscheinen auf dem Handy mit einer Warnung, sobald sich die User einer Strasse nähern, die totale Aufmerksamkeit braucht.» Zuerst müsse natürlich geklärt sein, ob dies mit dem Datenschutz vereinbar sei.

GLP-Gemeinderätin Carla Reinhard bereiten die zahlreichen Unfälle Sorgen. «Man ist dauernd online, schreibt noch schnell eine Nachricht und trägt dabei vielleicht sogar noch Kopfhörer – ich kenne das natürlich auch», sagt Reinhard. Damit bestehe die Gefahr, ein anrollendes Tram nicht zu bemerken. «Die Kombination aus sehr leisem Anrollen und langem Bremsweg ist da gefährlich.»

Sie findet deshalb prüfenswert, ob ein aktiveres Warnsystem an neuralgischen Stellen die Situation verbessern könnte, sagt Reinhard. Gleichzeitig sollten Zufussgehende sensibilisiert werden, auch über Social Media. «Warn-Pushs auf dem Smartphone kann man prüfen.» Zweifel habe sie jedoch, weil es schwer umsetzbar sei, datenschutztechnisch heikel und sich der Effekt wohl schnell abnutze.

Eigenverantwortung sei wichtiger

SVP-Gemeinderat Derek Richter erlebt als Lastwagenfahrer immer wieder Fussgängerinnen und Fussgänger, die auf das Handy guckend über die Strasse gehen. «Die Leute sind mitten im Verkehr in ihrer eigenen Welt versunken.» Dabei sei bekannt, dass zum Beispiel Schienenfahrzeuge einen wesentlich längeren Bremsweg als Strassenfahrzeuge hätten.

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Richter appelliert an die Eigenverantwortung. Treffe die Stadt extra Sicherheitsmassnahmen für abgelenkte Fussgängerinnen und Fussgänger, hätten diese erst recht das Gefühl, die Verantwortung abgeben zu können. «Es ist schon vorgekommen, dass Überregulierung im Verkehr zu mehr als zu weniger Unfällen führte.»

«Warnhinweise wären ein gewisser Widerspruch»

Die Dienstabteilung Verkehr der Stadt Zürich empfiehlt, die Ablenkung vom Verkehrsgeschehen durch die Nutzung von Smartphones oder Kopfhören auch zu Fuss zu vermeiden. «Die Idee der Präventionskampagne durch Warnhinweise auf dem Handy würde einen gewissen Widerspruch zu dieser Empfehlung darstellen», sagt Mediensprecherin Chantal Stocker.

Zudem seien die neuralgischen Stellen im Stadtverkehr fast überall, sagt Stocker. «Nur eine Auswahl zu treffen, könnte kontraproduktiv sein. Unser Fokus der Präventionsarbeit liegt somit auf der Förderung einer aufmerksamen und verantwortungsbewussten Verkehrsteilnahme durch alle.»

Stocker erinnert daran, dass die Stadt Zürich den Strassenraum nach Möglichkeit fehlerverzeihend einrichtet. «Damit im besten Fall auch abgelenkte Verkehrsteilnehmende nicht gleich schwer verunfallen.»

Ein Beispiel dafür sind laut Stocker die Markierungen «Achtung Tram» auf ausgewählten Fussgängerstreifen. Wenn eine Person einmal abgelenkt sei, zum Beispiel auf ihr Smartphone Richtung Boden blicke, nehme sie diese Markierung vielleicht auch wahr, und erkenne die Gefahr des nicht anhaltenden Trams frühzeitig. «Das Wichtigste bleibt jedoch die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmenden. Wir können den Verkehrsteilnehmenden diese Verantwortung nicht abnehmen.»

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 19. März 2024 06:45
aktualisiert: 19. März 2024 06:45