Quelle: +41/Archiv-Video vom 27.November 2023

Obdachlose

Yves (59) wärmt sich im Pfuusbus auf – und trauert

Für viele Menschen in Zürich ohne Dach über dem Kopf ist der Pfuusbus im Winter eine grosse Rettung. Bei den aktuellen Temperaturen glaube sie, Leute vor dem Erfrieren schützen zu können, sagt die Co-Leiterin. Einer davon ist Yves.

Nur schnell wieder rein an die Wärme – unter diesem Motto gehen zurzeit die meisten Zürcherinnen und Zürcher nach draussen. Nicht so schnell vor der Kälte flüchten können Obdachlose. Rettung in der Not ist der Pfuusbus des Sozialwerks Pfarrer Sieber. Im Winter finden obdachlose Menschen dort eine warme Stube und ein Nachtlager.

«Bei Temperaturen wie jetzt habe ich wirklich das Gefühl, dass wir Leute vor dem Erfrieren schützen können», sagt Barbara, freiwillige Helferin und Co-Leiterin des Pfuusbusses der Radio24-Reporterin. Ihr gehe es aber auch darum, den Obdachlosen «ein bisschen ein Zuhause zu geben».

Die Menschen, die sie betreut, liegen ihr sehr am Herzen. «Wenn plötzlich jemand abends nicht kommt, denke ich mir: ‹Wieso ist der noch nicht da? Wo ist er wohl?›.» Sie mache sich Sorgen, obwohl die Gäste der Notschlafstelle alles erwachsene Leute seien.

«Es gwagglet»

Yves ist einer von ihnen. Der 59-Jährige lebt auf der Strasse und verbringt bereits seinen fünften Winter im Pfuusbus. «Das Beste ist, dass man bei diesen Temperaturen ein Dach über dem Kopf hat. Du kannst einfach abschalten.»

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In einem grossen Zelt befinden sich 14 Kajütenbetten. Yves übernachtet auf einer der unteren Matratzen. «Die etwas schwereren sollten unten sein und die leichteren oben», erklärt er die Regel. «Es gwagglet», sagt er und demonstriert dies, indem er an einem der Betten rüttelt. «Wenn du dich da oben bewegst, macht alles wie ein Schiff.»

«Zogen den letzten Sommer gemeinsam herum»

In der Nähe hängt eine Gedenktafel. «Ich habe vor bald einer Woche einen sehr guten Kollegen verloren», sagt Yves. «Scheisse», entfährt es ihm mit tränenerstickter Stimme. Er holt einen zerfledderten Zettel aus seiner Jackentasche. Darauf zu sehen sind er und Christian beim Schachspielen. «Wir lernten uns im Pfuusbus kennen und zogen den letzten Sommer nonstop gemeinsam herum. Wir verstanden uns wie bessere Brüder.»

Sein Beispiel zeigt, dass im Pfuusbus nicht nur geschlafen wird, sondern auch Freundschaften entstehen. Pfarrer Ernst Sieber rief den Unterschlupf im Jahr 2002 ins Leben. «Ich kannte ihn nicht, aber, was Ernst aufgestellt hat – das ist bombastisch», lobt Yves.

(bza)

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 14. Januar 2024 06:17
aktualisiert: 14. Januar 2024 06:17