Zürcher Frauenloge

«Was?! Du bist in einer Sekte?» – Erfahrungen einer Frau bei den Odd Fellows

Die Wenigsten wissen, wie es hinter den Kulissen der Zürcher Odd Fellows aussieht. Und, dass auch Frauen dazugehören. Die amtierende Altmeisterin der einzigen Frauenloge in Zürich erzählt ZüriToday von Ritualen, Vorurteilen und einer düsteren Zukunft.

Den meisten sind sie unbekannt, viele betiteln sie als «Sekte» oder empfinden sie als spezielle Zusammenkunft: die Odd Fellows. Wie es der Name schon sagt, sind das «sonderbare Genossen», die laut Geschichtsbuch von einer Gemeinschaft eingewanderter Handwerker in London des 19. Jahrhunderts abstammen. Da sie in den damaligen Zünften keinen Platz fanden, haben sie sich kurzerhand selbst zu einer Bruderschaft zusammengeschlossen, um sich um kranke Angehörige und ihre Witwen zu kümmern.

In Zürich entstand bereits 1871 die erste Schweizer Odd-Fellows-Bruderschaft, die «Helvetia»-Loge. Von einer «Schwesternschaft» war damals nur zu träumen. Sage und schreibe 110 Jahre dauerte es, bis in Zürich die erste Frauenloge, «Felix und Regula», folgte. Nach etwas mehr als 40 Jahren verkündet die Schwesternschaft nun das Aus. Elsbeth Ebinger, amtierende Altmeisterin der Odd Fellows Frauenloge, erklärt, wieso das Kapitel zu Ende geht und dass sie alles andere als eine Sekte sind.

Mit Religion hat das nichts zu tun

Elsbeth Ebinger ist seit 27 Jahren Teil der Odd-Fellows-Frauenloge «Felix und Regula». Als sie damals der Loge beigetreten war, musste sie mit Vorurteilen von aussen kämpfen. «Am Anfang hatte ich Hemmungen, mich zu outen», sagt Ebinger. Viele aus ihrem Bekanntenkreis sagten: «Was?! Du bist in einer Sekte?»

Ebinger erklärte ihrem Umfeld, es sei ein Verein, der die Freundschaft sowie ethisches und humanistisches Denken und Handeln pflege. «Das hat überhaupt nichts mit Religion zu tun. Und auch nichts mit Politik», sagt Ebinger. Die Odd Fellows seien konfessionell und politisch absolut neutral. «Wir sind Frauen, die gleichgesinnt sind. Das ist einfach schön.»

Rituelle Sitzungen, um Alltagssorgen zu vergessen

Die Schwestern der «Felix und Regula» Odd Fellows treffen sich zwei Mal monatlich im Logenhaus an der Falkenstrasse beim Zürcher Stadelhofen. In der grossen Halle versammeln sie sich zu rituellen Sitzungen, wo die Frauen Vorträge halten, Texte vorlesen und schöne Musik abspielen. Das Ritual sei jedes Mal «ein Moment, in dem man abschalten, seine Sorgen und den Alltag draussen lassen kann», sagt die Altmeisterin. «Man fokussiert sich nur noch auf das, was passiert.»

Etwas andächtig wirkt das schon. Laut Ebinger hat das aber nichts mit Gottesdienst oder Meditation zu tun. «Das ist vielleicht etwas übertrieben. Man kommt zur Ruhe, ja, aber wir sitzen nicht im Lotussitz da», sagt sie lachend. «Es ist ruhig und gediegen – einfach schön.» Anschliessend tausche man sich über Gott und die Welt aus und geniesse ein gemeinsames Essen im Zeichen der Freundschaft.

Frauenloge zur Emanzipation der Frau

Auf ihrer Website bezeichnen sich die Odd Fellows der Zürcher Frauenloge als «aktive Frauen, die sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigen und diesem mehr Inhalt geben wollen». Weiter identifizieren sie sich «mit einem aktiven, weltoffenen Frauenbild». Laut Ebinger hat die Gründung der Frauenloge gewissermassen auch zur Emanzipation der Frauen beigetragen.

«Aber das ging ja nur, weil wir die Bewilligung der Männer bekommen haben», sagt die Altmeisterin und fügt hinzu: «Es gibt nach wie vor Männer, die es nicht für nötig halten, dass es auch Frauenlogen gibt.» Von den Zürcher Männerlogen hätten die Schwestern aber immer viel Unterstützung bekommen, so Ebinger.

Das Ende des Kapitels naht

Trotzdem gibt es keine Zukunft für die Odd Fellows Frauen in Zürich. «Wir haben beschlossen, unsere Loge auf Ende Jahr zu schliessen», bedauert Ebinger. «Wir sind extrem überaltert», sagt die Zürcher Altmeisterin. Ausserdem wolle sich niemand mehr verpflichten, ein Amt anzunehmen. Aktuell seien nur noch 12 bis 13 aktive Mitglieder bei «Felix und Regula». Die Frauenloge müsse mit den Mitgliederbeiträgen der wenigen Schwestern auskommen. Die Miete werde jedoch auch nicht weniger.

Zu allem Übel kam dann noch die Covid-Phase dazu. «Die Pandemie hat uns den Todesstoss gegeben», sagt Ebinger. Fast drei Jahre lang konnten die Odd Fellows keine neuen Mitglieder rekrutieren. Hoffnung scheint Ebinger nicht mehr zu haben. «Es dauert mindestens drei Jahre, bis ein neues Mitglied dem Vorstand beitreten kann», erklärt sie. Zuerst müsste ein neues Mitglied rekrutiert werden und dieses sich genug Kenntnisse aneignen sowie die verschiedenen Stufen der Loge durchlaufen. Dafür sei es mittlerweile schlicht zu spät.

Die jährliche Adventsfeier, die normalerweise Anfang Dezember stattfindet, werde dieses Jahr voraussichtlich auch als grosse Abschlussfeier fungieren, sagt Ebinger. Bis dahin geniessen sie und ihre Schwestern die zweimonatlichen Treffen in freundschaftlicher Beisammenkeit.

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Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 22. Mai 2023 09:05
aktualisiert: 22. Mai 2023 09:05