Friedhöfe

Islamische Bestattungen im Kanton Zürich nehmen zu

Muslimische Menschen wollen ihre letzte Ruhe nach islamischer Tradition finden. Nur wenige Gemeinden im Kanton Zürich kommen diesem Wunsch nach. Doch die Nachfrage nach islamischen Bestattungen auf Friedhöfen steigt.

Das Gesicht ist in Richtung Mekka ausgerichtet, der Körper liegt auf der rechten Seite. Der Leichnam wird in Tüchern eingewickelt und in der Erde begraben. Ohne Sarg. Für immer, damit die Totenruhe nicht gestört wird. So sollen Menschen nach traditioneller islamischer Begräbniskultur bestattet werden.

Doch in der Schweiz laufen Bestattungen traditionell nach christlichen Werten ab. Alle Gräber auf Mekka ausgerichtet? Nicht die Norm auf den Friedhöfen. Wie und wo werden Musliminnen und Muslime dann beigesetzt?

Andere Religion, andere Totenruhe

Wer in der Schweiz wohnt, hat das Recht auf ein «schickliches» Begräbnis. Das ist in der Bundesverfassung seit 1874 festgelegt. Somit haben alle Menschen Anspruch auf eine würdevolle Bestattung, egal, welchem Glauben sie angehören, egal, wie sie sterben.

Dieses Recht steht auch den rund 100'000 Menschen islamischen Glaubens zu, die im Kanton Zürich leben (Schätzung anhand Zahlen des Bundesamts für Statistik). Das entspricht etwa sieben Prozent der Bevölkerung. Für die Bestattungen zuständig sind die Gemeinden. Sie können entscheiden, ob sie spezifische Grabfelder für Angehörige einer Religionsgemeinschaft errichten wollen.

Dafür entschieden haben sich im Kanton Zürich vier Gemeinden.

Stadt Zürich hatte erste muslimische Grabfelder

Pionierin war die Stadt Zürich vor 20 Jahren. 2004 wurde auf dem Friedhof Witikon das erste Zürcher Grabfeld eingeweiht, das der islamischen Bestattungstradition entspricht. Dies, nachdem die muslimische Gemeinschaft seit 1994 einen eigenen Friedhof im Kanton Zürich gefordert hatte.

Auf dem Friedhof Witikon gibt es vier muslimische Grabfelder mit je 160 Grabstellen. 2019 sind Mietgräber und ein Gemeinschaftsgrab für Kinder dazugekommen. In den Grabfeldern werden die Verstorbenen in drei Belegungen beigesetzt (2 Meter, 1,80 Meter, 1,60 Meter Tiefe). Der Witikoner Friedhof ist aber nicht nur für Stadtzürcherinnen und -zürcher ein Ort der letzten Ruhe.

Am 22. Juni 2004 wurde die Grabstätte auf dem Friedhof Witikon eröffnet:

An der Eröffnung nahm auch der damalige Stadtpräsident Elmar Ledergerber teil.

Foto: KEYSTONE/STEFFEN SCHMIDT

Drei von vier Grabfeldern bereits belegt

Zürcher Gemeinden können mit der Stadt Zürich einen Anschlussvertrag abschliessen und ihren muslimischen Einwohnenden eine islamische Bestattung auf dem Friedhof Witikon ermöglichen. So unterschrieb etwa die Gemeinde Hinwil erst kürzlich einen Vertrag mit der Stadt Zürich, wie es im Amtsblatt «Top Hinwil» heisst. Mittlerweile haben 31 Gemeinden einen Vertrag. Die Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (Vioz) listet die entsprechenden Gemeinden auf ihrer Website auf.

Was ist das Fazit auf dem Friedhof Witikon nach 20 Jahren? Bei drei der insgesamt vier Grabfeldern sei man in der ersten Belegung, heisst es auf Anfrage beim Präsidialdepartement der Stadt Zürich. Das vierte Grabfeld ist zurzeit noch nicht belegt. Nach 20 Jahren erfolgt jeweils die nächste Belegung. «In den Grabfeldern sind heute 291 erwachsene Personen beigesetzt und 167 Kinder», präzisiert Sprecher Lukas Wigger gegenüber ZüriToday.

Nachfrage nach muslimischen Bestattungen ist 2023 gestiegen

Die Zahl der Bestattungen schwanken laut Wigger von Jahr zu Jahr. Im Durchschnitt seien es jährlich etwa 30 Beisetzungen. Doch es wurden mehr in den letzten Jahren: «Die Beisetzungen haben durch die Angebotserweiterung und der neu geschaffenen Möglichkeit für Anschlussverträge zugenommen», erklärt Wigger.

Das bestätigt auch Hamza Sahbaz vom islamischen Bestattungsinstitut Furat International Repatriation. «Die Nachfrage nach Bestattungen in der Schweiz nahm 2023 zu», sagt er. Sahbaz führt in der ganzen Schweiz muslimische Bestattungen und Überführungen ins Heimatland durch. Pro Jahr sind es etwa 400 Bestattungen, wie er sagt. Davon würden 40 bis 50 Personen in der Schweiz beigesetzt. Den Grossteil der Verstorbenen setzt er im Heimatland bei. Warum ist das so?

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Muslimische Menschen wollen in der Schweiz begraben werden

Ein Grund ist laut Sahbaz, dass in vielen Gemeinden keine islam-konformen Beisetzungen möglich sind, weil sie keine eigenen Grabstellen und auch keinen Anschlussvertrag mit der Stadt Zürich haben. «Es gibt Fälle, in denen Angehörige wollen, dass die Verstorbenen hier begraben werden, aber kein Anrecht darauf haben.»

Doch auch wegen der schweizerischen Bestattungskultur bevorzugen viele Musliminnen und Muslime eine Überführung ins Heimatland. Denn: Auf Schweizer Friedhöfen werden Gräber nach 20 Jahren aufgehoben. «Das macht viele Angehörige skeptisch», erklärt Sahabz. In der islamischen Begräbniskultur gilt die ewige Grabruhe.

Sahbaz geht aber davon aus, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird, weil für die dritte Generation mittlerweile die Schweiz das Heimatland sei. «Das Interesse, in der Schweiz bestattet zu werden, ist bei muslimischen Menschen da», sagt er.

Deshalb gibt es inzwischen auch in Winterthur (2012), llnau-Effretikon (2022) und Wettswil am Albis (2022) Friedhöfe mit muslimischen Grabfeldern. Und: 2024 kommt in Altstetten ein weiterer Friedhof dazu, wie Lukas Wigger von der Stadt Zürich berichtet. «Auf dem Friedhof Eichbühl entstehen Mitte 2024 neue Muslimgräber.»

Mehr Infos zu islam-konformen Bestattungen im Kanton Zürich findest du bei der Vioz.

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 8. Januar 2024 05:44
aktualisiert: 8. Januar 2024 05:44