Provokationen unter Zürcher Fans

«Ich sah einen Südkürvler, der fett um sein Leben rannte»

Die Rivalität zwischen FCZ- und GC-Anhängern besteht schon seit vielen Jahren. Auseinandersetzungen und provokante Spruchbänder gehören zu den hitzigen Derbys dazu. Wie Angehörige beider Lager erzählen, haben Hetzjagden auf einzelne Fans zugenommen.

«Ich sass nach dem Derby in der S5 Richtung Rapperswil ganz vorne im Zug und habe mitbekommen, dass sich eine Gruppe vermummter GC-Hooligans im selben Zug befindet. Ich zog eine Jacke an, die nicht in FCZ-Farben war», erzählt Ramon* ein langjähriger FCZ-Kurvengänger. Unter der Jacke trug er ein Shirt mit dem Südkurven-Schriftzug.

«Die Gruppe von Hoppers rannte ihm nach»

Seine Anspannung blieb dennoch gross. Die weissen Reeboks hätten ihn als Südkürvler enttarnt. Jeden Moment hätten die zwanzig bis dreissig in schwarz gekleideten GC-Hooligans in seinem Wagen auftauchen können. Im Zug wäre er ihnen wohl ausgeliefert gewesen. Dann erklingt die rettende Stimme aus den Lautsprechern: «Nächster Halt Bubikon.»

«Ich stieg in Bubikon aus und sah zuerst, wie ein Südkürvler fett um sein Leben rannte. Die Gruppe von Hoppers hetzte ihm nach. Das war völlig crazy.» Der Gejagte rannte in eine andere Richtung und konnte dem Mob entkommen. Doch die GC-Hooligans liessen offenbar nicht locker und machten sich mit Autos und zu Fuss teils vermummt auf den Weg ins Ortszentrzum. Dies bestätigt auch die Kantonspolizei Zürich auf Anfrage von ZüriToday.

Jagendes Rudel in Überzahl

Dass eine grössere Gruppe einzelne Fans verfolgt und anpöbelt, hat in den letzten Jahren zugenommen. Immer wieder berichten FCZ-, aber vermehrt auch GC-Fans von ähnlichen Szenen in und rund um die Stadt Zürich. Wie ein jagendes Rudel warten die Hooligangruppen darauf, dass sich ihr Opfer aus dem Schutz der Kurven entfernt und schlagen dann zu.

Das Zürcher Oberland scheint dafür in letzter Zeit ein Hotspot zu sein. Auch in Pfäffikon ZH und Wetzikon kam es laut Kurvenmitgliedern zu ähnlichen Fällen. Die Hintergründe bleiben dabei meist im Dunkeln. Viele Fälle werden der Polizei vermutlich gar nicht gemeldet. Die Szene will das in den meisten Fällen selbst regeln.

Mario*, ein GC-Kurvengänger, erzählt: «Seit ein paar Jahren werden Personen angegangen, die selbst gar nicht in der Szene sind.» Ein weiterer GC-Fan berichtet, wie er vor etwa zwei Jahren von acht FCZ-Hooligans eingekesselt wurde. Ähnliche Szenen spielten sich im vergangenen August in Urdorf zu. Sechs FCZ-Anhänger attackierten nach einem GC-Cupspiel Fans der Grasshoppers in einem Zug.

«Trotz 15 gege 2 gahts nöd ohni Stecherei»

Lars* steht ebenfalls selbst in einer der beiden Kurven und kennt sich etwas aus. Er erzählt uns, dass Mitglieder von Gruppierungen in Chats über Aufenthaltsorte von gegnerischen Fans informiert werden und sie sich danach in Gruppen an diesen Ort begeben. Dabei könne es sich auch mal um einen normalen Wochentag handeln. Dies bestätigt auch die Stadtpolizei Zürich auf Anfrage. Laut den Anhängern gehe es dabei um reine Rivalität und darum, ein Zeichen zu setzen – meist in numerischer Überlegenheit.

Dass es im Kanton Zürich derzeit deutlich mehr FCZ-Supporter gibt, gesteht sich offenbar auch die GC-Kurve ein. Am Derby vom Sonntag tauchte plötzlich ein Banner mit der Aufschrift «Trotz 15 gege 2 gahts nöd ohni Stecherei» auf. Sie benennen damit die unfairen Mittel wie Angriffen auf kleine Gruppen oder Einsatz von Stichwaffen. Doch diese Vorwürfe hört man aus beiden Lagern.

«Luft ist viel dicker als sonst»

Auch Ramon aus dem Zürcher Oberland nimmt diese Tendenz wahr: «In all den Jahren, in denen ich in die Südkurve gehe, habe ich so etwas noch nie erlebt. Es war das erste Mal, dass ich dachte, Mist, die Luft ist viel dicker als sonst.» (mat)

*Namen geändert

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 22. Mai 2023 12:56
aktualisiert: 23. Mai 2023 10:29