Stuntman Oliver Keller

«Ich liess mich brennend von einem Auto anfahren»

Der Zürcher Stuntman Oliver Keller sprang für Filmstar Ashton Kutcher durch eine Fensterscheibe. Russell Crowe bedankte sich mit einem Geschenk für seine mutigen Aktionen. An der Photo Schweiz zeigt Keller seine liebsten Hollywood-Momente.

Herr Keller, Sie öffnen an der Photo Schweiz Ihr privates Fotoalbum. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?
Die knapp 250 Bilder zeigen meine Arbeit hinter den Kulissen von verschiedenen Drehorten in Hollywood. Man bekommt einen Einblick in die Vorbereitungen für einen Stunt. Zum Beispiel sieht man den Ausbau eines Autos mit einem Überrollkäfig für einen Autoüberschlag oder den Einsatz von Luftkissen für den Sturz vom Dach. Zwischen den verschiedenen Takes blieb ab und zu auch Zeit für ein Foto mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, die ich doubelte.

Vor zwei Jahren kehrten Sie in die Schweiz zurück und arbeiten seither als Stunt-Koordinator für Schweizer Produktionen. Wurde Ihnen die Arbeit als Stuntman zu risikoreich?
Nein. Ich arbeite noch immer als Stuntman. In meiner Karriere als Stuntman machte ich nur Stunts, die sicher klappen. Musste ich bei einem Stunt überlegen, ob ich ihn machen sollte oder nicht, war dies schon ein Zeichen dafür, dass es zu gefährlich war. Dann wird der Stunt so entworfen, dass das Restrisiko überschaubar ist. Darum versuchte ich solche Stunts dann schon gar nicht. Zudem muss man jeden Stunt wiederholen, womit das Verletzungsrisiko steigt.

Welcher war Ihr spektakulärster Stunt?
Als ich heiratete (lacht). Ich werde dies oft gefragt, was aber schwierig zu beantworten ist. Jeder Stunt hat seine Tücken. Am komplexesten ist es sicher, wenn man verschiedene Elemente kombiniert. In der Nacht komplett brennend von einem Auto angefahren zu werden – das würde ich jetzt zu einem meiner krassesten Stunts zählen.

Verletzten Sie sich bei einem Dreh auch schon?
Eine Explosion war grösser als vermutet. Da zog ich mir Verbrennungen zweiten Grades zu. Als ich als Double von Ashton Kutcher im Film «Kiss & Kill» im T-Shirt durch eine Fensterscheibe sprang, ging ich mit einigen Schnitten nach Hause. Ansonsten waren Prellungen, Rippen- und Fingerbrüche die üblichsten Verletzungen. Gott sei Dank passierte mir nie etwas Gravierendes.

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Welche Rolle spielt die Angst?
Ich würde es eher als Respekt bezeichnen. Es ist super wichtig, dass man vorsichtig arbeitet. Nach dem Dreh wollen alle nach Hause zu ihrer Familie.

Weigerten Sie sich schon einmal, einen Stunt auszuführen?
In der Serie «Chuck» hätte ich einen Autosprung über einen 20 Meter langen Graben machen müssen. Das Auto erreichte aber nicht schnell genug das dafür nötige Tempo. Auch der Mechaniker konnte das Problem nicht lösen. Darum sagte ich den Stunt ab. Absagen brauchte mehr Mut, als ins Auto zu sitzen.

Interessierten sich die Stars, die Sie doubelten, für Sie?
Ja, auf jeden Fall. Die Wertschätzung und Dankbarkeit ist sehr gross. Manche zeigen dies auch mit besonderen Gesten. Im Film «Master and Commander» mit Russel Crowe kommt eine Actionszene mit riesigen Schwertkämpfen vor. Ich doubelte dort einen der französischen Piraten. Gegen Ende des Drehs lud Russell Crowe alle beteiligten Stuntmen in einen der Studioräume ein und liess für uns auf einem Palettenrolli eine grosse, teure Tequila-Flasche einfahren.

Etwa Cameron Diaz haben Sie am Trapez gehalten und gedoubelt haben Sie Pierce Brosnan, Ashton Kut cher, Sacha Baron Cohen und Kevin Costner. Gibt es ein Star, der Sie im persönlichen Gespräch besonders überraschte?
Ein längeres Gespräch führte ich mit Sacha Baron Cohen. Im Film «Borat Anschluss Moviefilm» spielte ich die Szene, als er mit Papiertüre auf dem Kopf über die Strasse läuft und fast von einem Auto angefahren wird. Man kennt ihn ja als Komiker in den Borat-Filmen, wo er eine eher dümmliche Figur verkörpert. Als Menschen habe ich Sacha Baron Cohen aber ganz anders erlebt. Er ist nicht nur extrem loyal, sondern auch hochintelligent. Auch spricht er fünf Sprachen.

Mit Stars plaudern und in Hollywood-Streifen mitspielen, mag der Traum vieler Menschen in der Schweiz sein. Wie schafften Sie es?
Ich war immer ein extrem aktives Kind. Ich fuhr Ski- und BMX-Rennen. Zugleich war ich ein Filmfanatiker. In den 80er-Jahren lief die TV-Serie «Ein Colt für alle Fälle». Der Hauptdarsteller ist Stuntman und Kopfgeldjäger. Als ich mit sieben Jahren die Serie das erste Mal sah, liess mich der Traum, Stuntman zu werden, nicht mehr los. Mit zwölf Jahren fragte ich mich: Was mache ich in der Schweiz? Ich gehöre nach L.A.!

Hat Los Angeles auch auf Sie gewartet?
Natürlich nicht (lacht). Mit 24 Jahren zog ich ohne Plan nach L.A. Ich brauchte sieben Jahre, bis ich vom Job als Stuntman leben konnte. Dies verdanke ich einem Netzwerk, das ich in der Zeit aufbaute. Man braucht immer wieder jemanden, der einem Türen öffnet. Man hört in L.A. viel mehr «Nein» als «Ja». Wichtig ist darum, nie aufzugeben.

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 12. Januar 2024 06:50
aktualisiert: 12. Januar 2024 06:50