Lästige Pflicht

Hunderttausende trödeln im Kanton Zürich bei der Steuererklärung

Das Beliebteste an der jährlichen Steuererklärung im Kanton Zürich ist: Diese hinauszuschieben. Die Städte Zürich und Winterthur registrieren zunehmend Fristerstreckungsgesuche. Eine Psychotherapeutin sieht den Grund im Papierchaos vieler Steuerpflichtiger.

Am heutigen Freitag ist die Deadline – bis dann müssen die Schweizer Steuerzahlenden ihre Steuererklärung einreichen. Doch jedes Jahr umgehen zahlreiche Steuerpflichtige im Kanton Zürich diesen Termin elegant – indem sie beim Steueramt eine Fristerstreckung beantragen.

Die Stadt Zürich registrierte für den Zeitraum Januar bis März 2022 über 199'000 eingereichte Fristerstreckungsgesuche. «Die Anzahl bis jeweils Ende März eingereichter Fristverlängerungen hat über die Jahre zugenommen», sagt Claudia Naegeli, Mediensprecherin des Finanzdepartements der Stadt Zürich. Im Zeitraum von 2016 bis 2022 handle es sich um eine Zunahme von rund 26 Prozent.

Fristenerstreckungen sind immer beliebter

Auch die Winterthurerinnen und Winterthurer verschieben die Steuererklärung fleissig. Jährlich knapp 41'500 eingereichte Fristverlängerungen im Schnitt registriert das Finanzdepartement der Stadt Winterthur zwischen der Steuerperiode 2017 bis 2021.

«Die Anzahl der Fristerstreckungsgesuche, die beim Steueramt Winterthur eingegangen sind, hat in den letzten fünf Jahren kontinuierlich zugenommen», sagt Debora Schelling, Mediensprecherin des Finanzdepartements. Die einfache Art und Weise, wie eine Frist online verlängert werden könne oder der allgemeine Zeitgeist könnten zum Anstieg beigetragen haben, vermutet sie.

Die Stadt Uster verzeichnet jährlich rund 7'000 Fristengesuche. Dies entspreche etwa einem Drittel aller einzureichenden Steuererklärungen, sagt der zuständige Steuersekretär Andreas Weber.

Viele Leuten hätten keine Ordnung

Psychotherapeutin Jacqueline Hurt kennt sich aus mit Menschen, die Aufgaben aufschieben. Prokrastination ist eines ihrer Spezialgebiete. Die Steuererklärung zähle zu den Klassikern der herausgeschobenen Arbeiten, sagt sie. «Es erfasst alle Gesellschaftsschichten und ist einkommensunabhängig.»

Vielfach schrecke das administrative Chaos davon ab, die Steuererklärung zeitig auszufüllen, sagt Hurt. Viele Leute hätten keine gute Ordnung, gehe es um Dokumente. «Wenn man zuerst Kisten durchwühlen muss, um die nötigen Belege bereit zu haben, stinkt einem die Steuererklärung noch mehr.»

Neben dem Chaos sind die Formulare selbst ein Problem. Laut Hurt empfinden viele Menschen die Steuererklärung als kompliziert. «Sie fragen sich etwa, wie Leute dies ohne Hochschulstudium schaffen.» Zudem scheuten sie den zusätzlichen Aufwand. «Der Gedanke daran, bei einer Unklarheit das Steueramt anrufen zu müssen und dort zuerst einmal in der Warteschlaufe zu hängen, begünstigt das Trödeln.» Nicht zuletzt zögerten zahlreiche Personen das Erledigen der Steuererklärung aus, weil sie es als unangenehm empfänden, Geld abgeben zu müssen.

Verschieben auf Regensonntag verschärft Problem

Besonders beliebt ist laut Hurt, sich vorzunehmen, die Steuererklärung an einem Regensonntag zu erledigen. Damit beginnt aber bereits das Prokrastinieren. «Wenn etwas verschoben wurde, ist es leicht, es weiter zu verschieben.» Hurts Tipp wäre, statt auf den Regensonntag zu warten, die nächsten zehn bis 15 Minuten beim Schopf zu packen und mit den einfachen Sachen zu beginnen, zum Beispiel mit dem Eintragen von Einkünften. «So kann man die Steuererklärung etappenweise ausfüllen.»

Steuerpflichtigen, die Jahr um Jahr am pünktlichen Einreichen scheitern, empfiehlt Hurt, Ordnung zu machen. «Sobald man die Erklärung ausfüllt, sollte man parallel einen Steuerordner anlegen.» Auf diese Weise koste es künftig weniger Überwindung, sich an die Steuererklärung zu setzen.

«Man spart sich quälende Wochen»

Reissen alle Stricke, lässt sich der Kampf mit der jährlichen Pflicht leicht umgehen – sofern das nötige Budget vorhanden ist. Hurt stellt oft fest, dass viele Menschen einen «komischen Ehrgeiz» haben, die Steuererklärung selbst zu erledigen. Dabei spreche nichts dagegen, für 200 Franken einen Treuhänder oder eine Treuhänderin damit zu beauftragen. «Dann spart man sich quälende Wochen und Wochenenden mit Fluchen.»

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Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 31. März 2023 09:07
aktualisiert: 31. März 2023 16:43