Stadt Zürich

Hohe Mietpreise treffen Sexarbeitende mit voller Wucht

Während der Coronapandemie verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen im Sexgewerbe. Auch nach der Pandemie ist der Druck in der Branche gross. Vor allem die steigenden Preise für Unterkunft und Lebenserhaltungskosten treffen die Sexarbeitenden hart.

Sex ohne Kondom, tiefere Preise, Anstieg an Gewalt und Verlagerung ins Internet. Während der Coronapandemie verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen für Sexarbeitende massiv. Monatelang galt ein Arbeitsverbot, viele Sexarbeitende arbeiteten trotzdem weiter, um ihr Überleben zu sichern.

Dennoch sank die Nachfrage zwischenzeitlich massiv – und sinkt die Nachfrage, sinken damit auch die Einnahmen. So sind die Sexarbeitenden auf diese wenigen Einnahmen angewiesen. Sprich: Die Freier gewannen an Macht und nutzten das teilweise aus.

Starker Preis- und Konkurrenzdruck

Auch heute, ungefähr ein Jahr nach der Aufhebung aller Coronamassnahmen, herrscht im Sexgewerbe weiterhin ein starker Preis- und Konkurrenzdruck. Die Einnahmen sind für viele nach wie vor gering. Viele haben sich zudem über diese Zeit stark verschuldet. Die Coronamassnahmen haben für viele Sexarbeitende also anhaltende Folgen.

In der Stadt Zürich sind vor allem die hohen Mietkosten ein Punkt, welche Personen im Sexgewerbe beschäftigen. Das bestätigen mehrere Beratungs- und Anlaufstellen für Sexarbeitende gegenüber ZüriToday. Sinkende Einnahmen und fehlende bezahlbare Wohnungen und Arbeitsorte sind in allen Schweizer Städten ein akutes Problem.

Bei der Beratungsstelle «Flora Dora» der Stadt Zürich heisst es, dass die steigenden Kosten und der grosse Konkurrenzkampf im Geschäft, den Druck auf die Sexarbeitenden erhöht, sich auf unsichere Praktiken einzulassen.

Der ständige Druck, Risiken einzugehen

Bei der Thematik geht es nicht nur um sexuell übertragbare Krankheiten, sondern auch um ungewollte Schwangerschaften. «Es gehört zu unseren Kernaufgaben, Sexarbeitende aufzuklären, was die Konsequenzen von ungeschütztem Sex sind und sie zu ermutigen, auf Safer-Sex-Regeln zu bestehen», sagt Ursula Kocher, Teamleiterin von «Flora Dora».

Die Thematik der unsicheren Praktiken existiert immer – während der Pandemie und dem Verbot der Sexarbeit war sie verschärft spürbar, aber auch heute noch. «Ganz grundsätzlich ist es leider immer so, dass Freier immer wieder ungeschützten Sex verlangen», sagt Beatrice Bänninger, Leiterin der Zürcher Beratungsstelle für Sexarbeitende «Isla Victoria».

Quelle: TeleZüri-Beitrag vom 30.04.2021

Ein weiteres ständiges Problem in der Sexbranche sind Situationen, in denen die Dienstleistung nicht bezahlt, das Geld gewalttätig zurückgefordert wird oder zusätzliche, nicht vereinbarte Dienstleistungen, gefordert werden.

Repression und bürokratische Hürden

Bei «ProCoRe», einem nationalen Netzwerk zur Verteidigung der Interessen von Sexarbeiten, heisst es, dass neben den geringen Einnahmen und den hohen Miet- und Lebenskosten auch Polizeirepression und bürokratische Hürden zur legalen Ausübung der Sexarbeit ein grosses Thema sind. «Denn Sexarbeitende wollen ihrer Tätigkeit legal nachgehen können, dies wird aber erschwert durch einen Flickenteppich an Regelungen für die Sexarbeit», sagt Rebecca Angelini von «ProCoRe».

Jeder Kanton und teilweise sogar die verschiedenen Gemeinden innerhalb eines Kantons regeln die Sexarbeit anders. So, dass teilweise selbst die Behörden Schwierigkeiten hätten, den Durchblick zu behalten. «Wie soll da eine Sexarbeiterin, die vielleicht kein Deutsch spricht und sich in der Schweiz nicht auskennt, alle geltenden Auflagen kennen und erfüllen?» Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit macht die Sexarbeitenden verletzlich gegenüber Ausbeutung und Gewalt.

So könne es passieren, dass eine Sexarbeiterin in Zürich legal gemeldet ist, dann aber in St. Gallen arbeiten will, wo andere Regeln gelten. «Wenn die Polizei sie in St. Gallen kontrolliert, kriegt sie eine Busse, obwohl sie eine Bestätigung aus Zürich hat, dass sie legal arbeiten darf. Das ist absurd.» Die kantonalen und kommunalen bürokratischen Hürden führten also zu einer Kriminalisierung der hierzulande eigentlich legalen Sexarbeit, so Angelini.

Die geflüchteten Ukrainerinnen

Behörden und andere Stellen befürchteten zu Beginn des Ukraine-Kriegs und dem damit verbundenen Strom von Geflüchteten, dass es zu einer starken Zunahme von Ukrainerinnen im Sexgewerbe kommen könnte – vor allem auch von Neu-Einsteigerinnen. Und dass so auch Ukrainerinnen im Sexgewerbe landen könnten, welche das gar nicht wollen, aber keine andere Möglichkeit sehen, hier Geld zu verdienen.

Diese Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet, bestätigen mehrere Beratungsstellen. Rebecca Angelini vom nationalen Koordinationsbüro «ProCoRe» sagt, dass die ukrainischen Sexarbeiterinnen, welche ihre Beratungsstellen antreffen, in den allermeisten Fällen bereits in der Ukraine im Sexgewerbe tätig waren.

Digitalisierung erschwert Arbeit der Beratungsstellen

Nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Sexarbeitenden erschwerten sich in den vergangenen Jahren aufgrund der Coronapandemie und der steigenden Preise. Auch die Arbeit der Beratungsstellen erschwerte sich. Stichwort Digitalisierung. Vieles im Sexgewerbe hat sich vermehrt ins Internet verlagert. Dieser Trend hat sich während der Pandemie akzentuiert.

Dabei geht es nicht nur um virtuelle Sexarbeit vor der Kamera. Es geht auch darum, wie Sexarbeitende ihre Kundschaft anwerben. Immer mehr machen dies über das Internet und sind somit an klassischen Orten der Sexarbeit weniger auffindbar. Das erschwert für Beratungsstellen den Zugang zu den Sexarbeitenden erschwert hat. Sie müssen ihre Arbeit in der Gesundheits- und Gewaltprävention somit an die Digitalisierung anpassen.

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Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 11. April 2023 08:21
aktualisiert: 11. April 2023 08:21