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Foto: Pixabay
Schweiz am Wochenende

Weit mehr als Klippen und Schnulzen: Auftanken im Rosamunde-Pilcher-Land

In der Grafschaft Cornwall in Südwestengland kann man sich in ein Steinhaus zurückziehen und in Gummistiefeln durch den Wald streifen.

Das war ja klar. Kaum auf englischem Terrain gelandet, nieselt es einem in den Nacken. Klischee Nr. 1: Check! Mit dem Mietauto rauschen wir in Richtung Südwesten, zweieinhalb Fahrstunden von Bristol. Die Autobahn erleichtert es uns, den Linksverkehr einzuhalten. Für später wird gelten: Bei jedem Kreisel muss der Kopilot dem Fahrer in Erinnerung rufen: Links rein!

Endlich das Schild «Cardinham Woods». Wir stossen das erste Holzgatter auf. Links riesige Pferdekoppeln, ein grosser Fuchs schaut in unsere Richtung, zwei Hasen laufen um die Wette, von links und rechts hängen Gräser und Stauden in den Weg. Wir sind im Feenland. Plötzlich tauchen Steinhäuser auf. Barns – für Scheunen oder Ställe.

Aber diese drei unterschiedlich grossen Hütten aus dem 19. Jahrhundert sind alles andere als rudimentär. Die Besitzer Martyn und Kaisi haben ein Stück Land der ehemaligen Steinmühle gekauft und die Häuschen aufwendig renoviert. Entstanden sind luxuriöse Rückzugsorte mitten im Nirgendwo, die wir über die Ferienvermietung «Perfect Stays» gefunden haben.

Wir beziehen das Barn «Callywith», einst ein Kuhstall. Als wir das Cheminée sehen und die bereitliegenden Holzscheite, ist unser Abend gerettet. Ja, in Cornwall kann man durchaus auch im Juni den «Wood Burner» anmachen. Auf dem Tisch steht ein prall gefüllter Korb mit selbst gemachtem Brot sowie typischen Köstlichkeiten aus Cornwall. So werden hier alle Gäste empfangen.

Den stärksten Duft im Raum verteilen die fluffigen Scones mit Clutted Cream (dicker Rahm). Besitzer Martyn bleibt auf ein Glas Wein, wir wollen mehr über seine Steinhäuschen und Cornwall erfahren. Wir trinken Sauvignon Blanc aus Australien. «Den Wein aus Cornwall kann man nicht trinken», sagt Martyn.

Er war 15 Jahre auf See, als Kapitän einer Luxusjacht, und hat die ganze Welt gesehen. Kaisi war Köchin auf Schiff. Dann hatten sie genug, wollten zurück in ihre Heimat Cornwall und kauften dieses Stück Land. Über die Cornish People sagt er: Sie seien «laid-back», also entspannt. Er meint, die Region im Südwesten sei sehr ländlich – man lebt insbesondere vom Tourismus. Den Cornwall als perfekte Filmkulisse auch fleissig bringt.

Dank Wellington trockene Füsse

Lange nicht so gut geschlafen wie hier mitten im Wald. Eine Ruhe, die man in einer Stadt mit Baulärm, Krankenwagen und Party-Heimkehrern vermisst. Weit weg von der Arbeit und vom Verflossenen, schläft sich erholsamer. Wir wollen diesen Wald nun auch erlaufen und im Café, von dem alle schwärmen, einkehren.

Doch siehe da! Es pisst schon wieder. Wir fahren ins nahe Bodmin, um Gummistiefel zu kaufen. Und lernen: Sie heissen hier nicht Rubber Boots, sondern Wellington Boots. Berühmt machte sie der Duke of Wellington, und die Aristokraten trugen sie fortan zum Jagen und Spazieren.

Wir marschieren mit unseren Stiefeln und treffen auf Kristen und ihre vier Hunde. Wir fragen sie nach den wunderschönen Blumen, die den Wegrand säumen. Wir wollten einen Strauss pflücken für unser Steinhäuschen. «Die sind hoch giftig», ruft Kristen. «Fox Gloves», als Roter Fingerhut oder Unserer-lieben-Frauen-Handschuh bekannt. Danke, Kristen! Beim «Woods Cafe» trennen sich unsere Wege.

Ein schmuckes Steinhäuschen, dass drinnen eine warm-wohlig nach Kuchen duftende Atmosphäre verströmt. Wir bleiben erst mal, lesen in den Cornwall-Reisebüchern und stärken uns bei Kartoffelsuppe, Carrot Cake – und natürlich Scones. Während es draussen regnet, schlemmen wir im Warmen. Langsam gewöhnen wir uns an das Nass und wissen: Das macht diese Gemütlichkeit aus.

Martyn versichert uns, dass dieser Standort im Landesinneren der beste ist. Von der Mitte der Grafschaft komme man überall hin und sei dennoch abseits der Touristenmasse. Doch im Juni ist es hier noch ruhig, so zieht es auch uns an die Küste. Nicht ohne ein paar Rosamunde-Pilcher-Schauplätze zu besichtigen. Wir fahren zum berühmten Lanhydrock House, ein Herrenhaus im viktorianischen Stil, das als Kulisse für die Schmonzetten herhalten musste.

Die Ortschaft Tintagel ist ein zerklüfteter Küstenabschnitt. Wir stehen an einer steilen Klippe, der Wind weht uns ums Haupt, doch ja, kann romantisch sein. Das Schmuckstück im Ort: das alte Postamt. Ein kleines, pittoreskes Herrenhaus aus dem 14. Jahrhundert mit gewelltem Schieferdach. Hier posieren die Touristen und kaufen sich King-Artur-Figuren in den Souvenir-Shops.

Im kleinen Hafenstädten Padstow wollen wir in St Petroc’s Bistro zu Abend essen. Der Besitzer und Koch Rick Stein ist in Cornwall eine Gastro-Grösse. Wir speisen vorzüglich und geniessen gar einen englischen Schaumwein – Weinexperten sind sich sicher, dass die Engländer im Anmarsch sind, was das Prickelnde betrifft. Dieser Meinung sind wir auch.

Wir sind froh, dürfen wir uns abends wieder in den Wald zurückziehen. Mittlerweile ist der Linksverkehr kein Problem mehr. Auf den Küstenstrassen ist es oft eng, weil die Sträucher der Hecken weit in die Strasse ragen, dass man sowieso in der Mitte fährt. Am nächsten Morgen rücken wir in den Süden vor und schlendern durch den beliebten Ferienort und die Künstlerkolonie St. Ives. Doch wir wollen an den Strand, einer der schönsten soll Porthcurno sein. Auf einem Felsen machen wir es uns gemütlich und beobachten die paar wenigen Surfer. Dass England so schöne Strände hat?

Bevor wir uns wieder in unsere Steinhöhle bei den Pferdekoppeln verkriechen, besuchen wir das Hafenstädten Fowey. Die Besucher sonnen sich auf den Terrassen der Restaurants und blicken auf die kleinen Boote, die, mit bunten Planen bedeckt, auf ihre Besitzer warten. Auf dem Heimweg kehren wir im «Sam’s on the Beach» im kleinen Ort Polkerris ein. Wir essen Jakobsmuscheln, Garnelen und Muscheln.

Zufrieden und satt schalten wir zu Hause in den Wäldern einen Rosamunde-Pilcher-Film an und meinen genau zu wissen, wo diese und jene Klippen sind. Die letzte Nacht in unserer Ruheoase ist angebrochen, wir träumen vom Duke of Wellington und seinen Boots. Am nächsten Tag blinzeln wir aus der Tür. Es nieselt. War ja klar.

Die Reise wurde von Visit Cornwall unterstützt.

Von Alexandra Fitz

Quelle: Schweiz am Wochenende
veröffentlicht: 29. Juli 2017 06:15
aktualisiert: 29. Juli 2017 06:15