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Foto: Pixabay
Schweiz am Wochenende

Paddeln auf dem Mond!

Die vulkanische Insel Milos in den griechischen Kykladen ist bekannt für ihre über hundert Strände. Viele sind nur über das Wasser zu erreichen. Am besten mit einem Katamaran oder im Kajak.

Kapitän Polichronis bläst seine grosse Muschel. «Willkommen in Kleftiko», ruft der Grieche dem lauten Tuten hinterher. Sein Co-Kapitän setzt derweil den Anker.

Hier im südwestlichsten Zipfel der Kykladeninsel Milos haben Wind, Wetter und die Wellen der Ägäis die Felsen auf ganz besondere Weise bearbeitet. Viele kleine Höhlen wurden in die Küste gemeisselt, Tunnel und Bögen. Die meisten Urlauber greifen daher schnell den Schnorchel und die Taucherbrille, springen von Bord ins klare Blau, wo sich früher Piraten herumtrieben. Kleftiko war ideal, um die erbeuteten Goldschätze zu verstecken.

Es gibt auf unserer Tagestour rund um die Insel viel zu sehen. Für einige Highlights und aussergewöhnliche Strände entlang der Küste ist der Wasserweg die einzige Möglichkeit, um sie kennen zu lernen. Allein um Kleftiko vom Land aus zu erreichen, müsste man zunächst auf die Westseite fahren, auf den anderen Flügel der schmetterlingsförmigen Insel. Sieht man von einem Kloster und ein paar einsamen Bauern mit ihren Ziegen ab, lebt dort so gut wie niemand, die Strassen sind staubig, weshalb hier nur Jeeps erlaubt sind.

Von einer der Pisten geht der Quer-Fels-ein-Weg nach Kleftiko ab: Mehr als eine Stunde muss man über Felsen wandern und darauf hoffen, dass die Markierungen an den Steinen alle noch da sind, um schliesslich das ehemalige Piratenversteck zu erreichen.

Alles kompliziert und in der Sommerglut schweisstreibend. Daher lieber aufs Boot, für einen Tagestrip auf den Katamaran oder ein bisschen aktiver ins Kajak. Beim Paddeln kommt man auf der ganzen Strecke zudem noch näher an die Küste, kann immer wieder anhalten und die Landschaft unter die Lupe nehmen.

Geführt wird die Tour von Rod, einem Australier, der seit 19 Jahren auf Milos lebt und die Insel zum Paddeln entdeckt hat. Bei seinen Ausflügen steuert er jeden Tag eine andere Gegend an.

Geologische Farbenspiele, bizarre Felsen
Auf dem Küstenstück, das er für heute ausgewählt hat, liegen einige der etwa 150 Höhlen. Manche sind so klein wie die Lover’s Cave. Die sogenannte Kathedrale hingegen verdient ihren Namen, sakral wirkt sie mit ihrem weit hochreichenden Raum und dem Riss in der Decke, der etwas Licht ins Höhlendunkel schickt. Eigentlich war Rod Geologe und kam für ein berufliches Projekt nach Milos. «Um Gold zu suchen», sagt er. Auf jeden Fall fand er hier seine zukünftige Frau und blieb auf der Insel.

Deren Geologie ist auch für diejenigen eindrucksvoll, die Steinen sonst wenig abgewinnen können. Dass Milos vulkanischen Ursprungs ist, erkennt man überall auf der schroffen Inselschönheit an den geologischen Farbspielen, bizarren Felsformationen und Gesteinsspielereien der Natur – auch an den Stränden, die in Rot, Gelb, Grün schillern.

Über hundert Strände soll es auf Milos geben. Nur ein Drittel davon sind über die Asphaltstrasse zu erreichen. Meist sehr komfortabel, aber selbst dann kann es passieren, dass man für das letzte Stück ein Quäntchen Abenteuergeist braucht wie beim Tsigrada-Strand. Dort muss man sich erst an einem Seil zu einer Leiter hangeln und dann Sprosse für Sprosse in die Tiefe bis zu der kleinen Bucht steigen.

Jetzt auf

Anwärter auf einen der aussergewöhnlichsten Strände der Ägäis ist Sarakiniko. Statt auf Sand liegt man dort auf blitzweissem Gestein, das von Wind und Wetter glatt geschliffen wurde, sodass man den Eindruck hat, dass die Miloten ein Stück des Mondes heruntergeholt hätten. Viele Jachten liegen hier. Auch die Kajakgruppe paddelt in die Bucht.

Ein Schnorchelstopp folgt darauf. Ziel ist ein Schiffswrack, das wenige Meter vor der Küste liegt und dessen rostige Reste aus dem Wasser herausragen. «Hier handelt es sich um einen kleinen Öltanker, der 2003 gesunken ist, bei Windstärke 9», berichtet Rod. Durch das glasklare Wasser sieht man das Deck mit seinen Maschinen und kann dazwischen herumschwimmen.

Die Gruppe paddelt weiter hinüber nach Glaronisia, die auch die Insel der Möwen genannt wird. Die eigentliche Attraktion ist aber eine andere. Was aus der Ferne wie ein dunkelgrauer Fels wirkt, sind, aus der Nähe betrachtet, unzählige, kantige Gesteinsstäben. «Das ist Basalt. Die Säulen entstehen, wenn Lava nach der Eruption sehr schnell erkaltet und schrumpft», erklärt Rod.

Sprung ins tiefblaue Wasser
Die geologischen Besonderheiten der Insel gefallen den Touristen und erschliessen den Miloten bis heute eine Einnahmequelle. Nach wie vor werden hier Gesteine wie Perlit und Bentonit abgebaut.

Die Narben, die die Vulkaninsel durch den Abbau trägt, sind an vielen Stellen bestens sichtbar, auch die stillgelegten Minen, an denen die Katamaran-Tour mit Kapitän Polichronis vorbeikommt.

Am westlichsten Ende liegt Kap Vani, wo zwischen 1898 und 1920 Mangan abgebaut wurde. Deutlich besser erhalten ist die Schwefelmine Thiorichia an der Südküste, die in den 1960er-Jahren stillgelegt wurde.

Immer wieder hält Polichronis an, deutet auf die felsigen Besonderheiten und legt an einsamen Stränden an, wo man ins Wasser springen kann. Die Ägäis ist so glatt, dass man kaum seekrank wird. Den ganzen Tag verwöhnt die Zwei-Mann-Crew zudem ihre Passagiere. Die beiden kochen Oktopus-Pasta, servieren einmal Eis und Kekse, einmal Bier, dann Ouzo und einmal sogar eisgekühlte Frappés. Schliesslich geht die Sonne unter und sorgt für das letzte Farbspiel: Rot und Gold glühen auf dem Meer und an der

von Sascha Rettig

Quelle: Schweiz am Wochenende
veröffentlicht: 3. September 2017 06:00
aktualisiert: 3. September 2017 06:00