Angeberei mit dem Hightech-Grill ist out - jetzt wird wieder auf dem offenen Feuer grilliert
Fred Feuerstein würde wohl den Kopf schütteln, wenn er einen Blick in die heutigen Gärten werfen würde. Was sollen all die Hightech-Grills und Outdoor-Küchen, wenn es doch nichts Besseres gibt, als das Fleisch einfach über einer schönen Glut zu brutzeln. Diese Frage stellen sich heute auch Menschen, die ansonsten nichts mit der drolligen Trickfilm-Figur gemein haben.
Angeben mit dem Hightech-Grill
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da konnte man bei einer Sommernachtsparty damit punkten, dass man für seine Gäste den ultramodernen Grill mit allen Schikanen in Position brachte und darauf gleich einen Mehrgänger zauberte. Stolz liess dabei der Herr am Grill Stichworte wie Crossray, Linear Flow oder Flav-RWave ins Gespräch einfliessen und schon waren – zumindest die männlichen – Gäste höchst beeindruckt. Da wurde nicht einfach nur gegrillt, sondern gesmokt und geräuchert, was das Zeug hält. Der Grill als Statussymbol im Garten, das Grillieren als Lifestyle und Selbstverwirklichung. Was dabei herauskommt, hat übrigens Hanna Dietz in ihrem Buch «Schatz, brennt da grad was an?» (Goldmann- Verlag) humorvoll beschrieben. Der perfekte Ratgeber für alle Frauen, die ihren Mann jeden Sommer an den Grill verlieren.
Das werden sie auch in diesem Jahr – nur unter anderen Vorzeichen. Denn jeder Trend hat seinen Gegentrend – und der steht auch schon vor der Tür: «Zurück zur Einfachheit» heisst es heute. Wie zu Zeiten Fred Feuersteins? Vielleicht nicht ganz, aber nahezu. Jedenfalls haben viele das technische Wettrüsten satt, wo das Bedienen des Grills doch zur hohen Wissenschaft erklärt wurde. Es reicht schliesslich, dass schon in der Arbeitswelt immer mehr auf Effizienz und Perfektion gesetzt wird. Also muss das nicht auch noch beim Grillieren gefordert sein. Und so darf der Grill auch wieder eine einfache Feuerstelle sein. Je einfacher, desto wirkungsvoller. Es darf auch wieder Rauchzeichen geben – Nachbarn hin oder her – und die Wurst mal ein bisschen angekohlt sein.
Für Markus Kellenberger kommt diese Wende nicht überraschend: «Diese Hightech-Grills sind zwar praktisch und bequem in der Handhabung, aber sie haben keine Seele – und das Fleisch hat keinen Geschmack.» Der Outdoor-Spezialist und Autor des eben erschienenen Buches «Draussen schlafen» (AT-Verlag) ist überzeugt, dass gerade beim Grillieren auch die Vorbereitungszeit wichtig ist, das ganze «Sich-um-das-Feuer-Kümmern», die Auseinandersetzung mit dem Feuer machen. Statt per Knopfdruck den Grill anzuwerfen, muss man das Holz richten, das Feuer entfachen, es überwachen, die Glut betreuen. «Das hat etwas Ursprüngliches, Archaisches, ja Sinnliches», betont er.
Das Lagerfeuer als Lebensgefühl
«Eigentlich ist der Grill ja bloss Ersatz für das einstige klassische Lagerfeuer», findet Kellenberger. «Wieso also nicht gleich zurück zum Anfang des Feuermachens?» Diese Sehnsucht nach archaischer Einfachheit wird mittlerweile durch verschiedene Produkte befriedigt. Etwa mit schlichten Feuerschalen, die trotzdem auch optisch was hergeben. Viele lassen sich mit einem Rosteinsatz oder einem Ring mit wenigen Handgriffen in einen Grill verwandeln. Letztere Variante hat den Vorteil, dass man trotzdem noch das offene Feuer geniessen kann und nicht zwingend warten muss, bis die Glut perfekt ist.
Wahre Kunstwerke sind die Feuerstellen von Uwe Schalbetter. Gefertigt werden sie aus geschwungenen Stahlblechteilen und mit Ketten, Stäben und Gittern zusammengesetzt. Auch die Produkte «Flammengrill» von Wetzel Gärten in Birmenstorf AG sind mit ihren organischen Lochmustern ein Blickfang, welcher das Feuer raffiniert durchscheinen lässt. Mehr als nur ein Grill wollen die Feuerbälle von Roland Koster aus Gonten AI sein. Sie sollen auch ein Lebensgefühl vermitteln, echte Lagerfeuerromantik: «Ein offenes Feuer ist auch heute noch das beste Rezept, wenn es um Atmosphäre geht», ist der Metallbauer überzeugt. Die Halbkugel des Feuerballs ist drehbar, je nach Wind; die Höhe des Grillrostes verstellbar. Und sie lässt sich mit einem Umbau-Kit auch legen, sodass man einen flachen Grill erhält.
Von unten nach oben arbeiten
Wer nun ins Zögern gerät, ob er in einem einfachen Grill mit Holz auch ein schönes Feuer hinbringt, den kann Markus Kellenberger beruhigen. «Eine Hexerei ist es nicht, sofern man sich genügend Zeit nimmt und Geduld mitbringt.» Gutes, trockenes Brennholz genügt. Dabei lieber ein paar Scheite mehr in die Schale geben, damit das Feuer auch genügend Glut entwickeln kann. Ansonsten wird sie schnell wieder kalt – und das Fleisch ist nicht durchgebraten. Wichtig ist, dass das Feuer immer unter Beobachtung steht und zu einem Aschenbett verkommt, das schön glimmert. Er empfiehlt, auch mal ein paar Gartenkräuter zum Aromatisieren darauf verglühen zu lassen. «Etwas, das auf dem Gasgrill nur halb so wirksam ist.»
Idealerweise nimmt man das Fleisch eine Stunde vor dem Grillieren aus dem Kühlschrank. Falls es mariniert ist, macht es Sinn es in eine Aluschale zu geben, damit das Öl nicht in die Glut tropft und aufflammt. Der Outdoor-Fachmann rät, das Fleisch generell anfangs lieber eine Stufe zu tief zu setzen, «damit sich die Poren schliessen können», und dann nach oben zu arbeiten.
Das Gute an den neuen Feuerstellen: Die Männer können sich hier noch besser profilieren als an den Hightech-Geräten. Aber ihre Kompetenz am Grill hat ja ohnehin kaum je eine Frau angezweifelt. Und nach der Mahlzeit kann man sich entspannt zusammen ums Feuer setzen – wie Fred Feuerstein mit seiner Wilma.
Von Silvia Schaub