Reparatur

«Wer auf Billigschuhe setzt, landet später in meiner Schuhmacherei»

Vom traditionellen Schuhmacher kann man sich noch einen massgefertigten Schuh herstellen lassen. Dieser Service ist jedoch kaum mehr gefragt. Mit innovativen Lösungen versuchen Zürcher Schuhmachereien, sich über Wasser zu halten. Auch an Nachwuchs mangelt es.

Die kaputten Schuhe reparieren oder ihnen eine neue Sohle verpassen lassen? Das ist in Zeiten von «Fast Fashion» und Billigschuhen zur Seltenheit geworden. Der Beruf und das Handwerk des Schuhmachers sind gerade bei der jüngeren Generation kaum mehr bekannt. Tatsächlich gibt es schweizweit nur noch wenige traditionelle Schuhmacher, die hochwertige, langlebige und nach Mass gefertigte Schuhe anbieten.

In der Stadt Zürich gibt es zwar noch einzelne Geschäfte für Schuhreparaturen, jedoch bieten diese mittlerweile viele weitere Services an, wie Lederreparaturen, Schlüsseldienste, Gravuren oder Stempel. «Man kauft seine Schuhe heute meist online, und wenn sie durchgelaufen sind oder dem Trend nicht mehr entsprechen, gibts halt neue», erklärt Antonio Rosanò, Inhaber der Rosanò Schuhmacherei in Zürich.

Derzeit keine Lernenden im Kanton Zürich

Da der Beruf kaum mehr bekannt ist, ist es sehr schwierig Nachwuchs zu finden. Schweizweit werden momentan fünf Lernende zur Schuhmacherin oder zum Schuhmacher EFZ ausgebildet, im Kanton Zürich aber niemand. «Die Zahl ist seit Jahren rückläufig und der Verband ist daran, Massnahmen zur Lernenden-Werbung umzusetzen», erklärt Romeo Musio vom Verband Fuss & Schuh in Luzern.

Stabiler sei die Zahl der Orthopädie-Schuhmacherinnen EFZ. Momentan werden hier im Kanton Zürich acht Lernende in Spezialgeschäften ausgebildet. Die Lehre dauert ein Jahr länger, insgesamt vier Jahre. «Hier sind es etwa 50 Personen, die in der gesamten Schweiz ausgebildet werden», so Musio. Die Richtung Gesundheit beim Schuh boome und gute Geschäfte gebe es einige, sagt auch Fritz Huwyler, vom Zürcher Traditionsgeschäft Fritz Huwyler & Co.

Junge sind nicht arbeitswillig

Die Anzahl Ausbildungsbetriebe ist zwar mit vier bis fünf im Kanton Zürich tief, aber recht konstant. Antonio Rosanò sieht die Schwierigkeiten mit dem Nachwuchs sehr deutlich: «Die Jungen kommen gar nicht erst, und wenn doch, dann sind sie nicht arbeitswillig und stellen Forderungen». Einer habe ihm nach zwei Tagen erklärt, dass er lieber etwas mit dem Handy und elektronischen Daten machen wolle. «Es braucht mehr Praktika, damit der Nachwuchs den Beruf wirklich versteht.»

Rosanò betont, dass man heute als Schuhmacher sehr innovativ sein müsse, um noch eine Chance zu haben. Selbst Schlüsseldienste, die viele seiner Kollegen nebst dem gängigen Reparaturgeschäft anbieten, liefen nicht mehr so gut. Zu schnell sei die Entwicklung auf dem Markt und teuer angeschaffte Maschinen seien rasch veraltet. «Zudem haben die Leute heute alles elektronisch. Schlüssel sind out.»

«Solange es teure Schuhe gibt, wird es den Schuhmacher brauchen»

Auch Fritz Huwyler, der das Zürcher Traditionsgeschäft F. Huwyler & Co. in der zweiten Generation führt, weiss, dass die Schuhreparaturen seit 30 Jahren zurückgehen. Das Geschäft hat sein Vater 1958 gegründet. Noble Markenschuhe aus aller Welt werden hier fachmännisch repariert und aufgefrischt.

«Solange es teure Schuhe gibt, wird es den Schuhmacher brauchen», ist er zuversichtlich. «Wer heute auf Billigschuhe setzt, der wird später mein Kunde sein», sagt Huwyler, denn diese machten die Füsse kaputt. Neben der Zusammenarbeit mit international renommierten Schuhmarken werden hier auch orthopädische Schuharbeiten gemacht.

Angelernt ist nicht ausgebildet

Fritz Huwyler & Co sei inzwischen das einzige Zürcher Schuhmacherei-Unternehmen, das noch traditionelle Dienstleistungen, wie Massanfertigungen, anbiete, so Huwyler. Zwar gebe es noch kleinere Reparatur-Geschäfte, dort arbeiteten aber oft nur Angelernte, keine Fachkräfte. «Ihnen wird das Nötigste in einem dreimonatigen Crashkurs beigebracht, und danach übernehmen sie eine Filiale», klärt Fritz Huwyler auf.

In der Schweiz geben die Leute durchschnittlich 60 Franken pro Schuhpaar aus. Massgefertigte Schuhe kosten um die 3000 Franken und bei Konfektionsschuhen ist man ab 700 Franken dabei. «Etwa ein Prozent der Bevölkerung kauft die teureren Schuhe. Das sind beispielsweise berufstätige Männer und Frauen zwischen 30 und 55 Jahren, die Wert auf schöne und gute Ware legen», sagt Huwyler.

Bei Flaute muss man einfallsreich sein

Wenn man etwas weitsichtiger rechne, dann komme ein Massschuh sogar günstiger als Billigschuhe. Denn diese Schuhe hielten 20 Jahre und können immer wieder neu besohlt werden. Damit habe man wirklich etwas für die Nachhaltigkeit getan, betont Huwyler. Der Schuhreparaturflaute wirkt seine Firma mit aussergewöhnlichen Seminaren für Liebhaber von schönen Schuhen entgegen. Dabei werden die Teilnehmerinnen in die hohe Schule der besonderen Schuhpflege eingeführt.

Romeo Musio vom Berufsverband wagt einen Blick in die Zukunft und fügt an, dass man sich generell Gedanken über dieses Berufsbild machen müsse. Aktuell laufe die Fünf-Jahresüberprüfung der Bildungsverordnung. «In diesem Zusammenhang muss man sich fragen, wann es sich finanziell und vom Aufwand her noch lohnt. Das ist bei den Schuhmachern natürlich ein grosses Thema.»

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 20. März 2023 21:00
aktualisiert: 20. März 2023 21:00