Quelle: TeleZüri / Vanessa Meier / ZüriToday / Olivia Eberhardt

Stadt Zürich

So orientieren sich blinde Menschen auf dem Friedhof Sihlfeld

Der grösste Friedhof der Stadt Zürich ist dank einer App und neuer Technologie besser zugänglich für blinde und sehbehinderte Menschen. Es ist ein absolutes Pilotprojekt und könnte bei Erfolg auf weitere Orte in der Stadt ausgeweitet werden.

Seit bald zwei Jahren testet die Stadt Zürich auf dem Friedhof Sihlfeld eine neue Signaletik: Informationsschilder und Wegweiser helfen Besuchenden, sich auf dem grössten Friedhof der Stadt zu orientieren. Ausserdem vermitteln sie Wissen – etwa, welche berühmten Verstorbenen wo begraben liegen. Doch: Nicht allen Menschen kann dieses Wissen vermittelt werden.

Informationsstehlen weisen Friedhof-Besuchenden den Weg – auf dem Feld D neu auch blinden und im Sehen eingeschränkten Personen.

Blinde Personen und Menschen mit Sehbehinderung waren von den Informationen ausgeschlossen. Deshalb reagierte Grün Stadt Zürich und baute das Pilotprojekt aus.

Seit dem 8. Dezember können sich nun auch blinde und im Sehen eingeschränkte Personen auf dem Sihlfelder Friedhof besser zurechtfinden und sich informieren. Es ist eine Premiere in der Schweiz.

Blinde Menschen orientieren sich mit App

Grün Stadt Zürich arbeitete mit dem Design-Studio m-d-buero, welches die Signaletik bereits konzipiert hatte, und dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) zusammen.

Damit sich blinde und sehbehinderte Menschen auf dem Friedhof Sihlfeld orientieren können, wurde die «MyWayPro» des SBVs zur Hilfe gezogen. Es ist eine auf Menschen mit Sehbehinderung spezialisierte GPS-Navigationsapp. Hier können sich blinde und im Sehen eingeschränkte Menschen eine Route vorsprechen lassen und sich so fortbewegen.

Damit sie das auch auf dem Friedhof Sihlfeld können, musste die App optimiert werden. Denn die App kann blinde Menschen zwar zum Friedhof leiten, doch für das Friedhof-Areal selbst sei das GPS zu ungenau und «die kleinen Wege sind nicht in den öffentlichen elektronischen Karten erfasst», erklärt Stefan Brunner, Friedhofs-Verantwortlicher, gegenüber ZüriToday.

Beacons senden Handys Signale

Deshalb brauchte es sogenannte Beacons, eine auf Bluetooth spezialisierte Technologie. Diese Beacons sind an den Informationsstehlen montiert und senden Signale an Geräte in der Nähe. Doch wie funktioniert das genau?

Eine blinde Person muss vor dem Friedhof-Besuch die «MyWayPro»-App sowie die Routen des Friedhofs Sihlfeld herunterladen. Wenn die Person auf dem Friedhof unterwegs ist und an den Beacons vorbeigeht, werden die entsprechenden Informationen auf dem Handy angezeigt. Etwa: «Audiodeskription zum Platz des Trostes: Wie kam der Platz zu seinem Namen?» Die Person kann dann entscheiden, ob sie sich die Informationen anhören oder weitergehen will.

Blinde und sehbehinderte Menschen brauchen Zugang zu Informationen

Luciano Butera, Leiter Technologie und Innovation beim Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband, spricht im Gespräch mit ZüriToday von einem «absoluten Pilotprojekt», das es so in der Schweiz bisher noch nicht gegeben habe. Zur App «MyWayPro» hätten sie «oft das Feedback erhalten, dass man so stark auf eine Route fokussiert ist, dass kulturelle Dinge und Zusatzinformationen an einem vorbeigehen können», erklärt Butera.

Und das sei schade: «Es ist wichtig, dass wir neben den trockenen Navigations-Infos auch zusätzliche Informationen in der App haben», findet Butera. «Blinde und sehbehinderte Menschen müssen Zugang zu Informationen haben.» Um dies zu erreichen, brauche es neue digitale Methoden. Und deshalb sei das Pilotprojekt auf dem Friedhof Sihlfeld so wichtig.

Luciano Butera beim Bedienen der App auf dem Friedhof Sihlfeld.

Positives Echo bei der Einweihung

Blinde und im Sehen eingeschränkte Personen konnten die neue Technologie vergangenen Freitag testen. Die Rückmeldungen seien sehr positiv und ermutigend gewesen, sagt Stefan Brunner von Grün Stadt Zürich. Auch Luciano Butera spricht von einem «durchwegs positiven Echo».

Es sei jedoch Verbesserungspotenzial vorhanden. Weil die App auf dem Friedhof einerseits via GPS und andererseits via Beacons navigiert und informiert, komme es teilweise zu Überschneidungen. «Wenn man bei einer Stehle nicht sofort stehen bleibt und sich etwas wegbewegt, spricht die Navigation gleich weiter», erklärt Butera – obwohl man erfahren wolle, welche Information auf dem Schild steht. Dies könne jedoch in der App mittels Bugfix verfeinert werden.

Technologie soll auf ganze Stadt Zürich ausgeweitet werden

Das Projekt ist für die Stadt Zürich wie für den SBV ein Test. Es sei wichtig, herauszufinden, ob es die Zusatzinformationen wirklich brauche und ob sie zielführend seien – oder ob sie ablenken, sagt Butera, und erklärt: «Wir hoffen auf Feedback, wie und wo wir diese neue Lösung noch weiter einsetzen können.»

Dem Leiter Technologie und Innovation beim SBV schweben dabei etwa Parcours vor. Mit dem Pilotprojekt auf dem Friedhof Sihlfeld habe man nun etwas, das man präsentieren könne. «In der Hoffnung, mittelfristig mehr inklusivere Angebote zu schaffen», so Butera.

Inklusiver will auch die Stadt Zürich werden. Wenn die Orientierungs- und Wissenshilfe ein Erfolg ist – sprich genutzt wird – könnte die Technologie auch anderenorts angewendet werden. «Es ist denkbar, die Lösung auch an anderen öffentlichen Orten einzusetzen. (z.B. Pärke, historische Gebäude) und so auf die ganze Stadt Zürich auszuweiten», heisst es im Projektbeschrieb der Stadt Zürich. Dies fördere eine selbständige Orientierung für Sehbehinderte – und, wer weiss, vielleicht ist das irgendwann in der ganzen Stadt Zürich möglich.

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Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 15. Dezember 2023 16:30
aktualisiert: 6. März 2024 16:44