Lucy und Lena sind Freundinnen, Singles und Zürcherinnen.
Foto: ZüriToday
«Love, Lena, Lucy»

Die Geschichte meines Tinder-Schwindlers

Die Lena, die verdaut immer noch grässlichen Telefonsex. Und Lucy? Hat sich mal wieder auf Tinder gewagt. Um sich dann beim ersten Date bereits zu fragen, wer hier falsch ist: der Typ oder ihre Augen.

Läck Lena,

Ich kann nie mehr aufhören zu lachen. Dein Telefonsex hat viel mit mir gemacht. Beim lesen habe ich mich geschämt und dann habe ich wieder sehr gelacht und dann hab ich körperflich gefühlt, wie beklemmend dieses ganze Erlebnis war.

Ich bin sehr froh, dass es deines und nicht meines ist. Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass diese Story, die jetzt kommt, auch nicht, nun, unerbärmlich ist.

Es ist ja nicht so, dass ich es nicht gewusst habe, als ich mir mal wieder diese Höllen-App namens Tinder runtergeladen habe.

Zum gefühlt 7506. Mal notabene. Du weisst ja, wie das ist mit dieser Scheiss Hoffnung, die ja bekanntlich nicht stirbt. Ausserdem kommen in meinem Freundeskreis gerade so viele Tinder-Kinder zur Welt, dass ich mal wieder dachte, ich versuchs mal wieder. Wer nicht wagt und so. You know.

Also habe ich es gewagt. Und es zuerst absolut null bereut. Da war Basti. 41. Hot. Meliert. Bärtig. Charmant. Und ELOQUENT. Ab Nachricht 1 ein Feuerwerk. Sauwitzig, schlagfertig und sexy. Nicht weil wir Sexting betrieben, sondern weil er die Selbstironie in Persona war. Eine Eigenschaft, die mir bei vielen Männern fehlt.

Eigentlich wollte ich Basti sofort treffen, sofort küssen, sofort heiraten. Aber irgendwie waren unsere Terminkalender gegen uns. Also chatteten wir weiter und hatten dabei so viel Spass. Wir chatten morgens ab Wecker bis uns nachts die Augen zufielen.

Lena, ich sags dir, es war echt romantisch. Es war perfekt. Ich war mir echt ziemlich sicher, dass ich die Nadel im Heuhaufen gefunden habe.

Long story short: Es war vielleicht eine Nadel, aber nicht die aus dem Heuhaufen. Es war viel mehr eine ätzend üble grosse Nadel, die mir einen riesigen Stich in mein gerade so erwärmtes Herz rammte.

Nach 16 Tagen der irren Chatterei haben sich Basti und ich nämlich getroffen. Ich weiss nicht, ob ich schon einmal so nervös war vor einem ersten Treffen. Ich vermute nicht. Ich erhoffte mir so viel.

Was dann folgt, meine liebe Freundin, ist die Begegnung mit meinem ganz persönlichen Tinder-Schwindler.

Der reale Basti hat mit dem Basti von Tinder in etwa so viel gemeinsam wie Angela Merkel mit Beyonce. Also nichts. Ausser das Geschlecht.

Basti ist zwar ein Mann. Einer, der so dermassen anders aussieht als der Kerl, den er vorgibt, zu sein. Vielleicht wäre das gar nicht so schlimm gewesen, wenn ich von Anfang an ein echtes Bild bekommen hätte. Aber der Fakt, dass er da tausend Filter und Photoshop-Korrekturen präsentiert und dazu bei seiner Grösse rund 25 cm dazu gedichtet hat, hat mich vor allem eines gemacht: hässig!

Jetzt, I tell you, schwierig! Man will ja kein oberflächliches Arschloch sein. Aber ich habe mich maximal verarscht gefühlt. Da kann und will ich nicht die beste Version meiner selbst sein.

Unser Date war also ein maximaler Reinfall. Er hat geredet und geredet und geredet und nur sehr wenig Rückfragen gestellt, die ich nicht mal gross beantworten mochte.

Im Gegensatz zu mir hat Basti unseren Vibe aber gefühlt. Er wollte weiter. Ich wollte nur heim. Das hab ich dann gesagt. Worauf er mich «chli langwilig» und «sehr viel weniger crazy und spontan» fand als ich mich online ausgab.

An dieser Stelle könnte diese Geschichte gerne enden, wenns nach mir ginge. Basti siehts anders. Er hat mich auf Facebook gefunden. Wo er mir nun alle zwei Tage schreibt, wie sehr er mich noch einmal sehen würde und sicher ist, dass wir «gechillt viben».

Ich habe die App derweil gelöscht. Werde mich nun eventuell auch von Facebook verabschieden. Sind ja sowieso nur noch Boomer drauf.

So zum Beispiel Beda.

Jetzt ist es so: Beda ist ein lustiger Boomer.

Beda und ich wollten vor acht Jahren sehr miteinander schlafen. Da war er aber in einer Beziehung. Das ist er jetzt nicht mehr, wie mir Facebook verrät.

Und nun sag mir, liebste BFF: Facebook löschen oder Boomer Beda anchatten?

PS: Ich wüsste nicht, wie ich ohne dich existieren würde.

Deine Lucy

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 16. Februar 2023 15:49
aktualisiert: 16. Februar 2023 15:49