Quelle: TeleZüri / Fasnacht in Bassersdorf / vom 25. Februar 2022

Fünfte Jahreszeit

Darum ist Fasnacht in der Stadt Zürich kein Thema

Fasnacht ist in verschiedenen Regionen der Schweiz fest im alljährlichen Veranstaltungskalender verankert und wird traditionell begangen – in Zürich hingegen kaum. Experten erklären, warum die fünfte Jahreszeit in der grössten Stadt des Landes einen schweren Stand hat.

Bunte Umzugswagen, Guggenmusik, Schnitzelbänke, ganz viel Konfetti und schrille Kostüme – das sind die wohlbekannten Heiligtümer der heutigen Fasnacht. Seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt die Schweiz einen regelrechten Fasnachtsboom. Nebst den traditionellen Fasnachtshochburgen wie Basel, der Ostschweiz und auch dem Tessin gesellt sich auch immer mehr die Westschweiz zu den eingefleischten Fasnachtsnarren. Mittlerweile ist die Fasnacht zu einer ernsten Angelegenheit für viele Erwachsene geworden.

Derzeit stecken wir mitten in der fünften Jahreszeit und die ganze Schweiz bereitet sich schon seit Wochen darauf vor. Die ganze Schweiz? Nicht so ganz. In der Stadt Zürich wird die närrische Zeit beinahe schon stiefmütterlich behandelt – obwohl Fasnacht und Zürich in der Geschichte mal miteinander harmoniert hatten.

Zürich ist zersplittert

Das bestätigt auch Mischa Gallati, Kulturwissenschaftler der Uni Zürich: «Die Fasnacht in Zürich hat eigentlich eine lange Tradition. Die ersten Belege stammen aus dem Mittelalter. Neben Basel und Luzern ist die Fasnacht aber heutzutage eher in den alpinen Regionen verankert, zudem auch im Tessin. Dort hinterlässt der italienische und ambrosianische Karneval seine Spuren.»

In der Schweiz ist der Fasnachtsmarkt also eher ländlich geprägt. Im Züribiet gibt es Gallati zufolge von öffentlicher Seite denn auch kaum städtisches Engagement. Dazu komme auch eine zersplitterte Stadtgesellschaft, die sich in viele Quartiere und Subkulturen aufteile, in denen dieser Brauch nicht unbedingt übergreifend Identität stiftend sei.

Stadtumzug würde Vermögen kosten

«Die Stadt Zürich hat einen internationalen Charakter und vermutlich ist Fasnacht in der Zürcher Stadtgesellschaft eher ein Minderheitenfest. Ausserdem hat Zürich mit dem Sechseläuten schon ein prägnantes und über die Grenzen hinaus bekanntes Stadtfest», so der Kulturanthropologe.

Das teilt auch Obernarr Rolf Zemp vom Fasnachtskomitee Bassersdorf: «In der heutigen Zeit geht diese Vereinskultur in der Stadt verloren. Es gibt in der Stadt Zürich zwar eine Fasnachtsgesellschaft, aber die kämpft mit anderen Anforderungen als wir im Dorf.» Das seien ganz andere Dimensionen. Er erinnere sich noch an einen Umzug in der Stadt mit über 100'000 Besuchern. «Das kannst du aber heute nicht mehr umsetzen, ohne dass es ein Vermögen kostet.»

Kürzere Wege, weniger Hürden

«Die Dorffasnacht ist eine andere wie in der Stadt», sagt Gallati. Auch wenn sich die Dorfgesellschaft ebenfalls sehr schnell wandelten: Hier stiftet die Fasnacht noch eher eine Gemeinschaftsidentität. Darüber hinaus trifft man eine gewissen homogene Bewohnerschaft eher in den Dörfern an als in Zürich. «Wer in Bassersdorf aufwächst, der wächst mit Fasnacht auf. Das gehört in den Kalender wie Weihnachten und Ostern», erklärt Obernarr Zemp.

Es sei gut für den Ort und auch das Marketing stehe dahinter. «Die Wege sind bei uns kürzer. Wir kennen die Menschen auf den zuständigen Behörden und wir brauchen auch keine kantonale Bewilligung.» Auch für Gallati spielt die Infrastruktur und die behördliche Zusammenarbeit eine wichtige Rolle: «Die Fasnacht in Zürich hat nicht den Rückhalt und auch nicht den Push. In der Form ist Fasnacht in Zürich kein wirkliches ‹Brand›.»

«Wir werden immer unterstützt»

Das zeige sich auch schon darin, dass die Zürcher Fasnacht alle paar Jahre umbenannt würde. Dies eröffnet aber auch Chancen für die Akteure: Neue Ideen, neue Menschen, neue Formen können ausprobiert und integriert werden.

Die Individualität der Fasnacht ist auf dem Land mehr gegeben. Da konkurriert die Veranstaltung nicht mit dem Sechseläuten oder der Street Parade, wie es eben in Zürich der Fall ist. «Es ist die klassische Gleichung: Angebot und Nachfrage», fügt Zemp an. «Die Leute lassen sich hier mitreissen. Der Zuspruch in Bassersdorf ist so gross, dass wir immer unterstützt werden. Deswegen machen wir das jedes Jahr.»

(sib/mhe)

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 18. Februar 2023 11:00
aktualisiert: 18. Februar 2023 11:00