Quelle: TeleZüri / Oliver Spieser / ZüriToday / Olivia Eberhardt

Attacke auf Juden

«Ein 15-Jähriger macht diesen Weg nicht allein»

Am Samstag griff ein 15-Jähriger einen 50-jährigen orthodoxen Juden an und verletzte ihn lebensbedrohlich. Der Täter bekannte sich in einem Video zum IS. Islamismus-Expertin Saïda Keller-Messahli über die möglichen Hintergründe.

Der mutmassliche Täter wurde unmittelbar nach der Tat festgenommen und befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. In einem Bekennervideo nimmt der 15-Jährige in arabischer Sprache zu seiner Tat Stellung. Er ruft zum «weltweiten Kampf gegen Juden» auf und solidarisiert sich mit dem Islamischen Staat (IS). TeleZüri hat die Islamismus-Expertin Saïda Keller-Messahli getroffen und mit ihr über die möglichen Hintergründe und Motive der Tat gesprochen.

Wieso begeht ein 15-Jähriger eine solche Tat?

Saïda Keller-Messahli: Meine Erklärung ist, dass dieser 15-Jährige weder emotional noch sozial eingebunden oder integriert ist. Er hat seinen Platz noch nicht gefunden. Wahrscheinlich kam er in eine Gruppe von Gleichaltrigen oder Älteren, die ihm solches Gedankengut schmackhaft gemacht haben. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Wie könnte dieser 15-Jährige radikalisiert worden sein?

Ein so junger Mensch kann sich nur in einem Umfeld radikalisieren, das heisst unter dem Einfluss von anderen. Unter dem Einfluss von irgendeiner Gruppe, sei es in der Moschee, in der Freizeit, online oder mit entsprechenden Büchern. Das ist alles möglich. Ich denke aber, dass ein 15-Jähriger diesen Weg nicht allein macht. Da sind noch andere und es gibt eine gewisse Gruppendynamik, die dazu führt, dass sich die jungen Männer mächtiger fühlen, wenn sie andere in Schrecken versetzen und ihnen Angst einjagen können.

Inwiefern sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Krieg in Gaza und dem Angriff?

Es hat bestimmt einen Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg. Dieser Krieg macht einen ohnmächtig. Wir sehen die verzweifelte Situation der palästinensischen Bevölkerung, die Bombardierungen, die riesige Zerstörung und sind ohnmächtig. Es ist gut möglich, dass sich so jemand berufen fühlt, etwas dagegen zu machen und diesen Weg wählt.

Was für einen Eindruck haben Sie vom Bekennervideo?

Im Video habe ich das Gefühl, dass es jemand ist, der beim Text, den er vorliest, Hilfe hat. Ich glaube auch, dass er Hilfe und Unterstützung hat bei dieser Art aufzutreten und seiner Durchsage. Er macht einen sehr sicheren Eindruck, was für einen 15-Jährigen ungewöhnlich ist. Er liest auch sehr bestimmt. Ich habe das Gefühl, er hat eine Hilfe, die ihn dabei unterstützt, diese Botschaft in die Welt zu setzen und zur Tat zu schreiten.

Was sagt er im Video?

Er bekennt sich zum IS und sagt von sich, er sei ein Soldat des Chefs des IS, also von Qurashi. Er redet im Namen von Allah und ruft zum Töten von Juden, Christen und ihren Verbündeten auf. Eigentlich ist das gegen alle gerichtet, die nicht streng muslimisch in seinem Sinne sind. Er droht auch seinen Eltern und seinen Onkeln väterlicherseits. Er droht ihnen, dass sie auf dem falschen Weg seien, weil sie offenbar liberal leben. Er findet das nicht gut und sagt ihnen, dass sie Reue zeigen und wieder zum richtigen Weg finden sollen. Ansonsten würden sie in der Hölle landen.

Offenbar kommt der Täter aus dem Zürcher Unterland. Haben Sie eine Ahnung, wo das sein könnte?

Ich kann nur spekulieren, weiss aber nichts. Ich weiss von meiner Arbeit, dass wir in Embrach eine radikale Moschee haben. Embrach ist ein Hotspot von radikalen Predigern und radikalen Leuten, die auch aus Deutschland vorbeikommen. Es ist sehr gut möglich, dass dort etwas ist.

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Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 5. März 2024 15:56
aktualisiert: 5. März 2024 15:56