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Foto: Pixabay
Schweiz am Wochenende

Die Schweiz kennt den Königskuchen nur dank einer Werbekampagne

Mit dem Dreikönigskuchen begehen wir einen christlichen Feiertag. Doch dem Brauch haftet nichts Religiöses mehr an. Damit liegt er im Trend. Lange hatte er es aber schwer: Erst dank einer Medienkampagne wurde er populär.

Einmal im Leben König sein – davon hat jeder schon geträumt. Falls Sie sich an diesem Wochenende beinahe an einem Plastikfigürchen verschlucken oder beim Kuchenessen einen Zahn verlieren, dann geht der Traum des Königsseins in Erfüllung, samt goldener Krone. Zumindest, wenn sich Ihre Familie so fair an die Spielregeln hält, wie die Römer vor rund 2000 Jahren.

Zu Ehren des Saatengottes Saturn wurde im alten Rom alljährlich nach ausgebrachter Wintersaat ein Volksfest veranstaltet. Im Gegensatz zu heute versteckten die Römer aber nicht eine kleine Figur aus Plastik im Kuchen, sondern eine hundsnormale Bohne. Wer sie fand, wurde Bohnenkönig und durfte einen Tag lang regieren. Selbst die Sklaven waren teilnahmeberechtigt und hatten, wenn man den Erzählungen Glauben schenkt, dieselben Siegeschancen. Ihren Wünschen war zwar nur in beschränktem Rahmen Folge zu leisten, dennoch: Vom Sklaven zum König – ein solch kometenhafter Aufstieg ist wohl nur in den wenigsten Völkern möglich gewesen.

Erst Magier, dann Könige

Die äussere Ähnlichkeit des römischen Volksfestes der Saturnalien zum heutigen Brauch ist augenscheinlich. Deshalb wird das uralte Ritual als Ursprung des heutigen Kuchens bezeichnet, mit dem wir den Dreikönigstag zelebrieren. Ein christlicher Festtag, der mit einem völlig unreligiösen Brauch gefeiert wird. Denn eigentlich ehren wir am 6. Januar die Magier, wie sie im Evangelium genannt werden, die, dem Stern folgend, das Kindlein in der Krippe in Bethlehem fanden und das Jesuskind beschenkten.

Erst im 13. Jahrhundert erhielten sie Namen und den Königsstatus – Caspar, Melchior und Balthasar. Seither ist ihre Verehrung und der Brauch des Kuchens in vielen Regionen der Welt sehr beliebt.

Je nach Land ist das Rezept für den Dreikönigskuchen unterschiedlich. In Portugal und Brasilien wird der Kuchen aus Hefeteig gefertigt, mit kandierten Früchten verziert und als kugeliger Laib geformt. In Nordfrankreich isst man traditionell die «Galette des Rois» aus Blätterteig, die mit Marzipan gefüllt ist.

Grosse Medienkampagne

Im Gegensatz zu den meisten anderen christlichen Ländern fristete der Dreikönigskuchen in der Schweiz über eine lange Zeit ein Schattendasein. Erst in den 1950er-Jahren wurde der Brauch durch eine aufwändige Medienkampagne des Verbands der Schweizer Bäcker und Konditormeister zusammen mit dem Brot-und-Gebäck-Forscher Max Währen populär gemacht. Die Bäcker-Fachschule Richemont in Luzern kreierte damals das noch heute bewährte Rezept: Ein Kranz mit kugelförmigen Ballen aus Hefeteig.

Seither wird dem Brauch auch hierzulande gefrönt. 1952 wurden 50'000 Kuchen verkauft, zu Beginn der 1960er-Jahre waren es über 150'000 Stück, und heute ist die Tradition zum Millionengeschäft geworden. Die Migros produziert in diesem Jahr 500'000 und Coop 450'000 Dreikönigskuchen. Beide Detailhändler betonen auf Anfrage den grossen Stellenwert des Gebäcks. Ein Migros-Mediensprecher sagt, die Nachfrage sei hoch, und bei Coop heisst es, die Verkaufszahlen seien steigend. Umsatzzahlen geben beide Detailhändler nicht bekannt.

Unreligiöse Produkte

Die Entwicklung des Dreikönigskuchens in der Schweiz zum Kassenschlager überrascht nicht. Überall auf der Welt werden nicht religiös gefärbte Bräuche aufgrund der Globalisierung und der multikulturellen Gesellschaft wichtiger. Halloween oder der Valentinstag werden in fast allen Regionen der Welt immer populärer.

In Australien hat das grösste Pferderennen des Jahres für viele Menschen den höheren Stellenwert als Ostern oder Pfingsten. Und der Weihnachtsmann verdrängt in Mitteleuropa zusehends das Christkind.

Der Schweizer Kulturwissenschaftler Konrad Kuhn erklärt: «Produkte lassen sich besser vermarkten ohne christliche Bezüge, weil sie dadurch für Angehörige aller Religionsgemeinschaften anschlussfähig sind.»

Wer an diesem Wochenende einen Dreikönigskuchen verspeist oder für die Arbeitskollegen zum Wochenstart das süsse Gebäck zum Znüni mitbringt, macht dies kaum noch aus religiösen Beweggründen. Vielmehr steht der Genuss und das Beisammensein im Vordergrund.

Und natürlich die Magie des Königseins. Jeder kann nämlich auf das harte Plastikfigürchen beissen. Auch der Atheist.

Von Nicola Imfeld

Quelle: Schweiz am Wochenende
veröffentlicht: 6. Januar 2018 04:00
aktualisiert: 6. Januar 2018 04:00