Amy Schumer und Goldie Hawn
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Schweiz am Wochenende

Der Luftibus und der Trampel: «Der Film soll eine Art Liebeserklärung an meine Mutter sein»

Mit Amy Schumer und Goldie Hawn treffen in «Snatched» zwei Comedy-Generationen aufeinander. Lacher sind rar.

Ein Mutter-Tochter-Team auf der Kinoleinwand – üblicherweise dient diese Konstellation dem Austragen von giftigen Zickenkriegen oder zumindest aufgestauten Generationenkonflikten. Nicht so im neuen Film «Snatched – Mädelstrip»: «Der Film soll eine Art Liebeserklärung an meine Mutter sein», sagt Hauptdarstellerin und Comedystar Amy Schumer im Gespräch mit der «Schweiz am Wochenende». «Ich wollte damit sagen: Ja, ich weiss, ich kann ein Arschloch sein, und wie jede Tochter habe ich dich als selbstverständlich hingenommen, aber jetzt möchte ich ‹danke› und ‹sorry› sagen.» Sie sehe sie nicht nur als Mutter, sondern auch als Frau. «Und ich weiss, du hast dein Bestes gegeben.»

Eine schöne Geste. Denn das Verhältnis von Amy Schumer zu ihrer Mutter litt enorm, als Sandra Schumer den Vater für einen Familienfreund verliess. In ihrer Biografie «The Girl with the Lower Back Tattoo» hat Schumer das aufgearbeitet: «Meine Mutter hat jedes Wort gelesen, bevor es gedruckt wurde, und das Einzige, was sie beanstandete, war, dass meine Hebräisch-Klasse an einem anderen Tag stattfand, als ich mich erinnerte. Wir haben heute ein gutes Verhältnis.» Einmal im Jahr habe Schumer einen Albtraum. Dann wolle sie mit niemand anderem reden als mit ihrer Mutter. «Ich rufe sie um 3 Uhr früh an, und sie hebt jedes Mal ab.»

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Comeback von Goldie Hawn

In «Snatched», inszeniert von Jonathan Levine («50/50») und mitproduziert von Amy Schumer und ihrer Schwester Kim Caramele, werden freilich nicht nur Familien-Friedenspfeifen geraucht. Amy Schumers egozentrisch-feministischer Humor zieht sich selbstverständlich mit durch die Action-Komödie: Schumer spielt Emily Middleton, die von ihrem Freund den Laufpass bekommt und sich darauf entschliesst, die geplanten Liebes-Ferien in Ecuador in einen Frauen-Urlaub mit Mutter Linda umzuwandeln. Diese ist zwar ein Stubenhöck und malt sich allerlei Desaster-Szenarien aus, aber schliesslich willigt sie ein. Und prompt: Nach Emilys durchzechter Nacht mit einem mysteriösen Schönling werden die Middletons entführt.

Für die Rolle der Mutter hat Schumer Goldie Hawn vor die Kamera zurückgeholt. Sie ist der Luftibus neben Schumers Trampel, und man würde meinen, ein Glücksfall für ein Filmstudio. Schliesslich startete Hawn ihre Karriere mit einem Oscar («The Cactus Flower», 1970) und gehörte bis Ende der Neunzigerjahre zu den erfolgreichsten Comedy-Darstellerinnen. Aber Hawn hat seit «The Bangers Sisters» im Jahr 2002 keinen Film mehr gedreht, und Schumer musste erst Überzeugungsarbeit leisten: «Ich konnte mir niemand anderen in dieser Rolle vorstellen», so die Film-Tochter. «Mit Goldie fühlt man einfach sofort eine Verbindung. Sie hat etwas, das man nicht kreieren kann, man liebt sie einfach, sobald sie auf der Leinwand auftaucht.»

Die inzwischen 71-Jährige betont, dass sie in ihrer Auszeit nicht auf der faulen Haut gelegen ist: «Ich habe nur meinen Fokus anders ausgerichtet. In gewisser Weise bin ich auch immer noch aufgetreten: Ich halte Vorträge auf der ganzen Welt im Zusammenhang mit einer Hawn-Stiftung und unserem Programm MindUp, das Kindern in neun Ländern beim Lernen und Navigieren durch unsere komplexe Welt hilft. Das war mir wichtig.»

«Zu hübsch, um lustig zu sein»

Es war das Talent von Schumer, das Goldie Hawn auf ein Filmset zurücklockte. Sie hatte Schumers Film «Trainwreck» gesehen und war sofort überzeugt: «Amy kann Humor und Emotionen verbinden. Das ist nicht einfach hinzukriegen. Und sie hat Mitgefühl, was sich in allem manifestiert, was sie macht.» Selbst wenn sie übertreibe, vergebe man ihr, weil sie so gutherzig sei.

Dass neu-feministische Komikerinnen wie Amy Schumer und Lena Dunham etwas für Frauen im Comedy-Genre verändern, glaubt Hawn indes nicht: «Amy ist ein Original. Sie hat sich ihre Nische geschaffen, so wie es Frauen in jeder Epoche getan haben.»

«Snatched» funktioniert trotz des Power-Duos nicht auf allen Ebenen. Zu konventionell wird die Handlung abgespult. Und das kuriose Touristen-Paar Ruth und die stumme Barb (Wanda Sykes, Joan Cusack) erinnern eigentlich eher an eine Zirkus-Clown-Nummer als an Nebendarsteller, die einen Film bereichern. Ob Frauen sichere Comedy-Werte sind, wird in Hollywood immer wieder diskutiert. Hawn, deren Lachen nach wie vor zu den ansteckendsten im Filmgeschäft gehört, glaubt nicht, dass es an fehlendem Humor liegt: «Agenten sagten zu mir früher, ich sei zu hübsch, um lustig zu sein.»

Hawn glaubt, die Frage sei eher, ob lustige Frauen für Männer noch sexuelle Wesen sind. «Mit diesem Gedanken scheinen sie Mühe zu haben. Von Frauen haben ich nie gehört, dass sie humorvolle Männer nicht sexy finden.»

Amy Schumer kann ein Lied davon singen, diesbezüglich nicht mit der gleichen Elle wie beispielsweise Comedy-Kollege Seth Rogen gemessen zu werden. Dauernd muss sie sich rechtfertigen, wie sie sich auf Magazincovern präsentiert: «Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen mir und den Frauen, die normalerweise auf Magazinen abgebildet sind. Aber ich werde nichts ändern und damit arbeiten, was mir gegeben ist. Die Leute müssen halt lernen, mit meinem Body klarzukommen.» Sie habe kein Problem damit. Viel wichtiger als der perfekte Körper sei doch die Gesundheit. «Mein Vater hat MS und ist im Rollstuhl. Ich bin jeden Tag dankbar, dass meine Beine funktionieren und dass er in der Verfassung ist, mit mir zu lachen.»

Snatched (USA, 2017) 90 Min. Regie: Jonathan Levine. Ab 15. Juni im Kino.

Von Marlène Von Arx

Quelle: Schweiz am Wochenende
veröffentlicht: 10. Juni 2017 05:00
aktualisiert: 10. Juni 2017 05:00